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Politik: Die Verurteilung des PKK-Chefs Öcalan trägt mehr zum Ende des Kurdenkonflikts bei als erwartet

Am 15. Februar gelingt dem türkischen Geheimdienst ein spektakulärer Coup: In Kenia geht ihm der Chef der kurdischen Separatistenorganisation PKK, Abdullah Öcalan, in die Falle.

Am 15. Februar gelingt dem türkischen Geheimdienst ein spektakulärer Coup: In Kenia geht ihm der Chef der kurdischen Separatistenorganisation PKK, Abdullah Öcalan, in die Falle. Nach einer mehr als fünfmonatigen Odyssee wird er in die Türkei gebracht. Dort feiern Politik und Medien seine Ergreifung als einen großen Triumph. Nach der Ergreifung des Guerilla-Chefs, der seit 15 Jahren Krieg gegen die Türkei führt, organisierten seine Anhänger in ganz Europa Demonstrationen und blutige Krawalle. In Berlin, Stuttgart, Düsseldorf, Köln, Bonn, München, Hamburg, Frankfurt am Main und Leipzig sowie in mehreren europäischen Städten besetzen Kurden griechische und kenianische Botschaften, Konsulate und andere Einrichtungen, darunter auch die SPD-Zentrale in Hamburg. Mehrere Kurden versuchen, sich öffentlich selbst zu verbrennen. In Berlin erschießen am 17. Februar Sicherheitsbeamte drei kurdische Männer und eine Frau, die in das israelische Generalkonsulat vordringen wollten. Ein Untersuchungsausschuss kommt später zu dem Ergebnis, dass die israelischen Wachleute ohne Vorwarnung geschossen hatten.

Damals erschien die Hoffnung auf einen fairen Prozess für Öcalan sehr gering. Niemand hätte eine müde Mark auf die Überlebenschancen des PKK-Chefs gewettet: Schließlich wurde der kurdische Rebell schon seit über 20 Jahren wegen Hochverrats gesucht - und darauf steht nach türkischem Recht die Todesstrafe. Die Türkei machte ihn verantwortlich für den Tod von mehr als 30 000 Menschen, die im Krieg zwischen seinen Truppen und der türkischen Armee umkamen.

Tatsächlich wurde "Apo", wie der Rebellenchef von Freund und Feind genannt wird, in Rekordzeit angeklagt, vor Gericht gestellt und zum Tode verurteilt. Der Prozess auf der Gefängnisinsel Imrali geriet zu einem der spektakulärsten Gerichtsverfahren des Jahrhunderts, und das nicht nur wegen der einmaligen Sicherheitsvorkehrungen. Denn statt trotzig seine Sache zu verteidigen, eröffnete Öcalan den Prozess mit einer Abbitte an den türkischen Staat und einem Aufruf an seine Anhänger, den Kampf aufzugeben. Das Staatssicherheitsgericht erkannte zwar ungerührt auf Todesstrafe, doch Öcalan hatte es mit seiner Verteidigungsstrategie ohnehin eher auf die Politik abgesehen. Und obwohl der türkische Berufungsgerichtshof erst im November das Todesurteil gegen Öcalan in letzter Instanz bestätigte, kann sich Öcalan zum Jahresende seines Lebens wieder relativ sicher sein. Der Rückgang der Kämpfe in Südostanatolien seit Öcalans Friedensappellen hat dem türkischen Staat gezeigt, dass der PKK-Chef ihm bei der Beendigung des Konflikts lebend nützlicher ist als tot. Der PKK-Chef selbst fürchtet die Naturgewalten inzwischen offenbar mehr als den Henker: Zum Jahreswechsel beantragte er die Verlegung in ein anderes Gefängnis - wegen der Erdbebengefahr auf Imrali.

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