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Schon am frühen Morgen warteten Briten vor den Wahllokalen.

© Adrian Dennis/AFP

Die Wahl in Großbritannien: Konservative und Labour gleich auf

Heute wählen die Briten ein neues Unterhaus. Nach bisherigen Umfragen werden sich die beiden großen Parteien ein knappes Kopf-an-Kopf-Rennen liefern. Die Wahlnacht wird spannend.

Nach dem längsten und den Umfragen zufolge wirkungslosesten Wahlkampf der britischen Geschichte wählen die Briten heute ein neues Unterhaus. Der Wahlkampf begann früher als jemals, weil der Wahltermin seit 2011 festlag. Ein Koalitionsgesetz beendete die Tradition britischer „Überraschungswahlen“, bei denen der Premier nach eigenem Gutdünken die Queen um Auflösung des Parlaments ersuchen konnte und dann umgehend ein vierwöchiger Wahlkampf begann. Der Durchschnitt der letzten Umfragen gaben den beiden großen Parteien, Konservativen und Labour,  jeweils 34 Prozentpunkte. Das entspricht mehr oder weniger dem Stand der Dinge im Januar 2015.

Schwer vorhersagbares Ergebnis

Die Briten werden sich auf eine lange und spannende Wahlnacht einstellen müssen. Die Wahllokale schließen um 22 Uhr (23 Uhr deutscher Zeit). Erste Hochrechnungen auf der Basis von Exit Polls sind mit Vorsicht zu genießen: Die knappen Umfragewerte der beiden Hauptparteien und die Vielzahl von kleinen Parteien, die rund ein Drittel der Stimmen bekommen könnten, machen die Prognose nach dem britischen „First past the post“- Direktwahlsystem schwieriger denn je. Ein klares Ergebnis wird es möglicherweise erst am Freitag Vormittag geben.

Wahlforscher warnten selbst vor Fehlerquellen in den Umfragen. Die Zahl der „Wechselwahlkreise“, wo wegen knapper Mehrheiten schon ein kleiner Wählerumschwung oder „Swing“einen Parteiwechsel ermöglichen kann, war noch nie so groß. In vielen Wahlkreisen liegen Kandidaten von drei Parteien dicht beieinander. Im Londoner Wahlkreis Hampstead und Kilburn beispielsweise hatte die Labour-Abgeordnete und Schauspielerin Glenda Jackson 2010 mit nur 42 Stimmen Mehrheit und einem Stimmenanteil von 32,8 Prozent gewonnen. Die Tories hatten 32,7 Prozent und die Liberaldemokraten 31,2 Prozent.

Die Torys hoffen nun auf eine Wiederholung der Wahl von 1992. Damals lagen die die Konservativen in den Umfragen deutlich zurück, erzeilten dann aber in einem Überraschungssieg von Premier John Major das beste Ergebnis ihrer Geschichte – mit 14 Millionen Wählerstimmen.

Das erste Wahlkreisergebnis wird kurz vor 23 Uhr Ortszeit aus dem Wahlkreis Houghton und Sunderland South erwartet: Der Wahlkreis gewann den traditionellen Wettlauf um das erste der 650 Wahlkreisergebnisse bei der letzten Unterhauswahl 2010 mit der feierlichen Deklaration des Ergebnisses durch den Wahlleiter um 22.52 Ortszeit. In allen fünf Unterhauswahlen gewann ein Wahlkreis aus Sunderland das Rennen. „Viele unserer Zähler arbeiten bei Banken und sind sehr erfahren“, erklärte Stadtratschef Dave Smith, betonte aber, Genauigkeit sei wichtiger als Tempo.

 Schnelle Regierungsbildung erwartet

650 Abgeordnete in 650 Wahlkreisen werden gewählt. Da die Parlamentssprecher keine Stimme haben und auch die in Nordirland gewählten irischen Republikaner der Sinn-Fein-Partei ihre Sitze nicht beziehen, liegt die Mehrheit de facto bei 323 Sitzen.

Noch in der Wahlnacht werden die Parteien in Position gehen, um die Regierungsbildung einzuleiten. Der amtierende Premier David Cameron bleibt im Amt, bis er eine neue Mehrheit vereinbart hat oder einsieht, dass er dabei scheitern wird. Labourchef Ed Miliband hat jedoch mehr Koalitionsmöglichkeiten. Grüne, Nationalisten aus Wales und Schottland sowie die Liberaldemokraten könnten theoretisch mit ihm koalieren, um die Tories und ihre Sparmaßnahmen zu beenden. Miliband will Berichten zufolge in einem Blitzverfahren in 24 Stunden seinen Anspruch auf Regierungsbildung durchsetzen und Cameron zwingen, seine Demission bei der Queen einzureichen – sogar wenn dieser die Mehrheit der Sitze erobert haben sollte. Doch müsste sich Miliband dabei auf die schottischen Separatisten verlassen, die mit einem erdrutschartigen Wahlsieg rechnen.

 Das Zünglein an der Waage

Schottland ist das große Fragezeichen der Wahl. Die SNP wird vermutlich die Mehrzahl der schottischen Sitze, wenn nicht alle 59 erobern. Damit wird einerseits der Eindruck unterstrichen, dass Schottland bereits ein von Großbritannien abgelöstes, eigenes Land ist. Andererseits kann die SNP die Regierungsbildung in London steuern. Das könnte Großbritannien in eine Verfassungskrise stürzen. Gewählt wird das 56ste  Parlament des Vereinigten Königreichs seit der Gründung der „Union“ zwischen Schottland und England im Jahre 1707. Es könnte, so Pessimisten, das letzte sein.

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