zum Hauptinhalt

Politik: Die Wahl zwischen Tat und Suggestion

Von Stephan-Andreas Casdorff Da war der Kanzler, der sagte: In den letzten vier Wochen wird die Wahl erst entschieden. Der sagte, dass sich zum Schluss alles auf die beiden Kandidaten zuspitzen wird und darauf, was sie für Leistungsbilanzen vorzuweisen haben.

Von Stephan-Andreas Casdorff

Da war der Kanzler, der sagte: In den letzten vier Wochen wird die Wahl erst entschieden. Der sagte, dass sich zum Schluss alles auf die beiden Kandidaten zuspitzen wird und darauf, was sie für Leistungsbilanzen vorzuweisen haben. Dass die Wähler die Inhalte durchgehen werden – und dann, ja dann, würde er gewinnen. Das sagte Helmut Kohl. Und verlor die Wahl.

Die Einwände gegen diese Analogie sind bekannt. Was stimmt: Seinerzeit wollte eine Mehrheit der Bürger den Altkanzler, den Rekordkanzler nicht mehr. Man hatte sich an ihm satt gesehen, und wenn er durch die Lande zog, dann zog Kohl zwar noch Tausende an. Aber sie staunten ihn nur an, die Jüngeren als Dino der Politik, die Älteren als lebendes Denkmal seiner selbst. Der Kanzler der Einheit – auf den Sockel und Schluss. So wurde die Wahl seine Abwahl.

Aber nicht nur deshalb. Die Leistungen waren zwar so schlecht nicht, im Großen und Ganzen, doch sie reichten zum Sieg nicht aus. Die Reformen im Stau, bei den Arbeitslosenzahlen der Gau, ein Zukunftsprogramm, das viel zu spät angepackt wurde – kommt uns das nicht bekannt vor? Die Opposition schloss die Reihen, stellte den Streit ein, wollte nicht so furchtbar vieles anders, aber besser machen – wem das nicht bekannt vorkommt. Das war der andere Grund für die Wahl: Die anderen sollten es besser machen. Und sie sahen ja auch irgendwie jünger, dynamischer, besser aus.

Da kommt sie wieder, die Analogie: Vor vier Jahren erzählten die Politiker in der Regierung auch, dass es jetzt aber gleich losgehen werde, mit Inhalten, mit dem richtigen Wahlkampf. Sie sagten, vom Kanzler angefangen, dass die Aufholjagd begonnen habe und verwiesen auf Umfragewerte. Und es fanden sich auch immer irgendwelche Belege in irgendwelchen Daten. Nach dem Motto: Wer, wenn nicht wir, wer, wenn nicht ich, muss von sich begeistert sein. Aber die letzte Umfrage wirft doch die Frage auf: Ist das nicht nur Autosuggestion wie damals, nicht bloß der Versuch, mit Suggestion alle Kräfte zu entfalten?

It’s the economy, stupid – was in Amerika gerade mal wieder einen Bush einholt, ist in Deutschland lange schon angekommen. Dazu der Anspruch Jobs, Jobs, Jobs, und am Ende einer Legislaturperiode, wie es von den Ereignissen her nur wenige gab, scheinen alle Leistungen vergessen zu sein. Vier Jahre, und die Politik von Rot-Grün soll nur eine Spur im Sand gewesen sein? Vier Jahre, und wir haben schon wieder genug?

Es kann sein, dass die Wähler jetzt wirklich häufiger Ämter auf Zeit vergeben wollen, dass sie im rascheren Wechsel den schnelleren Wandel zum Besseren vermuten. Ist das mehr Hoffnung oder mehr Ungeduld? Gleichviel, der Wahlkampf des Kandidaten trägt dem Rechnung: Er hat sich in die Gesellschaft von rechts nach links eingeschlichen. Stoiber hat sein Profil verwischt. Er will damit 1998 kopieren.

Aber das zeigen die Werte auch: Es ist anders als 1998. Richtig da ist die Wechselstimmung nicht, mindestens noch nicht. Schröder muss weg, sagt keiner. Er ist trotz allem immer noch beliebter als Stoiber, Fischer noch beliebter als Schröder und damit in der Gunst allemal vor Westerwelle. Stoiber und Westerwelle, dieses Duo kommt nicht an, so sagen es die Zahlen. Dass die beiden es besser machen, ist – Suggestion.

Das ist die Lage: Die Mehrheit der Bürger hat Angst um ihren Job, ist sogar zu Lohnverzicht bereit. Das ist die Frage: Nicht, wer suggeriert besser, sondern, wer macht es besser? Die Wähler warten darauf, überzeugt zu werden, vom Kanzler oder vom Kandidaten. Viele schwanken noch. Noch 57 Tage.

NAME

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false