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DIE WAHLEN SEIT 1949 (1): Ruhige Hand und klare Kante

Bundestagswahlkämpfe waren immer spannend. Der Rückblick zeigt: Jeder Wahlabend brachte Überraschungen, und es gibt immer wieder Parallelen zur Gegenwart.

Bundestagswahlkämpfe waren immer spannend. Der Rückblick zeigt: Jeder Wahlabend brachte Überraschungen, und es gibt immer wieder Parallelen zur Gegenwart. Teil 1 der Serie: 1949.

Die erste Bundestagswahl, es war ein Sommerwahlkampf, aber kaum jemand war im Urlaub. Deutschland lag nach dem Krieg am Boden. Wie es wieder nach oben kommen könnte, wie die Wirtschaft gestaltet werden sollte, darum ging es in der emotionalen Auseinandersetzung, der vor allem der SPD-Kanzlerkandidat Kurt Schumacher Schärfe gab.

Es war einer der heftigsten Wahlkämpfe in der Geschichte der Bundesrepublik, noch geprägt von der aufgeheizten Atmosphäre der Weimarer Republik, oft polemisch, mit vielen Schmähreden. Schumacher schlug nicht nur sozialistische Töne an (die SPD hatte ihr Godesberg noch vor sich und plädierte für eine staatlich gelenkte Ökonomie wie die 1945 so erfolgreiche britische Labour Party). Nein, Schumacher gab sich auch betont nationalistisch, der SPD-Mann hatte Probleme mit der Weststaatsgründung und der beginnenden Verankerung der neuen Bundesrepublik in einer Gemeinschaft mit den westlichen Siegermächten.

Das Kontrastprogramm vertrat Konrad Adenauer („Lügenauer“ nannte Schumacher den führenden Christdemokraten, die CDU konterte mit „Rattenfänger“). Die herben Attacken der Sozialdemokraten, auf die viele Beobachter als Sieger gesetzt hatten, fruchteten nicht: Am 14. August 1949 hatte der Kandidat des Kapitals und des Klerus, der Kandidat der Westmächte, die Nase leicht vorn. Adenauer konnte eine konservativ-liberale Regierung bilden. Wobei die soziale Marktwirtschaft, welche die CDU propagierte, nur noch wenig vom sachten christlichen Sozialismus geprägt war, den die Partei unter dem Einfluss christlicher Gewerkschafter nach 1945 für einige Jahre gepflegt hatte. Verstaatlichungen und Planwirtschaft waren nicht mehr auf ihrer Agenda. Die Union durfte wohl auch regieren, weil der frühere Kölner Oberbürgermeister trotz seines hohen Alters von 73 Jahren (oder vielleicht gerade deswegen) eher für die Sehnsucht nach einem ruhigen Neuanfang stand als der Scharfmacher Schumacher. Etwas zugespitzt: Ruhige Hand siegte gegen klare Kante.

CDU und CSU kamen am Ende auf 31 Prozent, die SPD landete bei nur 29,2 Prozent, die FDP bei 11,9 Prozent. Die KPD schaffte es, trotz oder wegen des Antikommunismus, den Adenauer und auch Schumacher vertraten, mit 5,7 Prozent in den Bundestag, ebenso die Bayernpartei, das Zentrum, die rechte Deutsche Partei und einige Kleinparteien mehr, ja sogar drei Einzelbewerber.

Im Grunde hatte sich das Parteiensystem der ersten Republik bis 1949 erhalten, weshalb man auch von der letzten Weimarer Wahl spricht. Dass der Bundestag recht bunt war, lag am Wahlrecht: Es genügte schon ein Direktmandat für den Einzug einer Partei, auch wenn die unter der schon geltenden Fünfprozenthürde blieb. Den Direktmandaten gab man noch den Vorrang: Nur 40 Prozent der Sitze wurden über die Parteilisten besetzt, 60 Prozent von den Wahlkreissiegern.

Die SPD war enttäuscht und demoralisiert, ihre tragende Rolle in der Weimarer Demokratie und ihre konsequente Gegnerschaft zum Nationalsozialismus wurde nicht belohnt. Die große Koalition, die in beiden Parteien viele Anhänger hatte, kam auch nicht: Adenauer und Schumacher konnten sich nicht leiden. Die SPD wanderte in die Opposition – für 17 lange Jahre. Albert Funk

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