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Politik: Die Wehrpflicht – eine launische SPD diskutiert

Berlin - Wahrscheinlich hat Peter Struck gedacht, er bringt ein starkes Argument zum Schluss, aber es könnte genau so gut als Kapitulationserklärung durchgehen. „Die Frage der Wehrform ist vorrangig eine politische“, sagt der Verteidigungsminister und setzt nach: „nicht eine militärische, juristische oder finanzielle“.

Von Robert Birnbaum

Berlin - Wahrscheinlich hat Peter Struck gedacht, er bringt ein starkes Argument zum Schluss, aber es könnte genau so gut als Kapitulationserklärung durchgehen. „Die Frage der Wehrform ist vorrangig eine politische“, sagt der Verteidigungsminister und setzt nach: „nicht eine militärische, juristische oder finanzielle“. Nicht? Hatte nicht Struck eben sein – allseits bekanntes – Plädoyer für die Wehrpflicht noch einmal mit – allseits bekannten – Gründen militärischer, juristischer und finanzieller Art zu untermauern versucht?

Aber vielleicht hat Struck das Gefühl gehabt, dass keins von diesen Argumenten ausreichen würde. Sie reichen jedenfalls nicht in den Augen des SPD-Nachwuchses, der am Sonnabend zahlreich zum Parteikongress über die „Zukunft der Wehrverfassung“ nach Berlin gekommen ist. Der infolgedessen eher niedrige Altersschnitt im Foyer des Willy-Brandt-Hauses ist für die SPD nicht repräsentativ, das Meinungsspektrum auch nicht. Die Jungen haben ziemlich freie Bahn für ihre Attacken auf den Zwangsdienst.

„Ich habe keine ernsthafte sicherheitspolitische Begründung gehört“, sagt etwa ein junger Mann aus dem Saarland und beschwert sich über „Etikettenschwindel“, wenn die Bundeswehr immer wieder den Wert von Wehrpflichtigen im Einsatz hervorhebe: Wer da in Afghanistan oder auf dem Balkan sei, nenne sich zwar „freiwillig längerdienender Wehrpflichtige“, sei aber in Wahrheit Soldat auf (kurze) Zeit. Auch Christoph Matschie aus Thüringen, einer der Wortführer der Jungen, vermisst jede „starke Begründung“ für und sieht zugleich eine starke Begründung gegen die Wehrpflicht in deren „starkem Eingriff in das Persönlichkeitsrecht“ der Jungen. Und ein älterer Genosse stellt die Frage, die unter den Jungen halblaut auch schon lange umgeht: Wenn schon Pflicht – warum dann nicht genau so für Frauen?

Entschieden wird der Streit nicht – was erklären mag, weshalb er ziemlich emotionslos ausgetragen wird –, entscheiden will die SPD erst im Herbst 2005 auf einem Parteitag. Dort wird nicht nur der Altersschnitt ein anderer sein, nach Adam Riese sollte Struck dort auch mit einer klaren Mehrheit für seinen Standpunkt rechnen können. Zumal ein Jahr vor der Bundestagswahl jedem Delegierten das sachfremde, aber sehr starke Argument einleuchten dürfte, dass man einen der wenigen richtig populären SPD-Minister besser nicht beschädigt. Aber einen Rest an Unsicherheit sehen auch die Wehrpflichtfreunde in der SPD durchaus. Wenn – aus welchem Grund auch immer – der Parteitag schlechte Laune haben sollte, könnten Kanzler und Parteispitze auf der Suche nach einem Ventil für die Delegierten die Debatte laufen lassen. Schließlich ist die Frage der Wehrverfassung, siehe Struck, „vorrangig eine politische“.

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