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Politik: Die Wirtschaft boomt, die Ideologie-Schlachten sind geschlagen: Warum es "New Labour" so viel einfacher hat als Schröder

Die Unterschiede könnten größer kaum sein. Während die deutsche SPD-Regierung in Umfragen und bei Wahlen abstürzt, gibt es für die Freunde von der britischen "New Labour" derzeit nur eine einzige Gefahr: Selbstzufriedenheit und der Glaube, die nächsten Unterhauswahlen praktisch schon gewonnen zu haben.

Die Unterschiede könnten größer kaum sein. Während die deutsche SPD-Regierung in Umfragen und bei Wahlen abstürzt, gibt es für die Freunde von der britischen "New Labour" derzeit nur eine einzige Gefahr: Selbstzufriedenheit und der Glaube, die nächsten Unterhauswahlen praktisch schon gewonnen zu haben. Für die Partei des britischen Regierungschefs Tony Blair scheint das Hoch in den Meinungsumfragen einfach nicht abzureißen. Knapp 50 Prozent der Briten unterstützen weiterhin die Partei, die im Mai 1997 die Regierungsverantwortung übernahm. Ein derart hohes Maß an Zustimmung für eine Regierungspartei mitten in der Legislaturperiode ist in der jüngeren britischen Geschichte ohne Beispiel. Wenn "New Labour" sich ab dem heutigen Montag im südenglischen Bournemouth zum jährlichen Parteitag versammelt, will Parteichef Blair vor allem die Parole ausgeben: Vorsicht, die nächsten Wahlen müssen noch gewonnen werden!

Das sind Vorgaben, von denen Blairs Amtskollege Gerhard Schröder nur träumen kann. Die britische Wirtschaft boomt, Arbeitslosenrate und Zinsen sind niedrig. Die deutsche Diskussion ums Sparpaket, der in Teilen der SPD geäußerte Vorwurf an den Berliner Regierungschef, Sparen dürfe kein Selbstzweck sein? Für "New Labour" alles kein Thema. Die Partei hatte schon im Wahlkampf vor gut zwei Jahren vorsorglich darauf hingewiesen, dass sie den Wählern zumindest über ein Haushaltsjahr hinweg das enge Sparkorsett der konservativen Vorgänger-Regierung zumuten würde. Inzwischen beginnt Labour mit Blick auf die nächsten Unterhauswahlen, soziale Wohltaten wieder etwas großzügiger zu verteilen. Für die kommenden drei Jahre ist eine Steigerung der Ausgaben im Bildungs- und Gesundheitswesen um drei Prozent vorgesehen.

Die "Kriegskasse" des Schatzkanzlers Gordon Brown ist inzwischen wieder so gut gefüllt, dass dem Finanzminister daraus beim Parteitag in Bournemouth sogar Probleme erwachsen könnten. Umgerechnet über 30 Milliarden Mark stehen dem Schatzkanzler wieder als Spendiermasse zur Verfügung. Beim Parteitag in dieser Woche befürchtet die Führung von "New Labour" nun Begehrlichkeiten des Gewerkschaftsflügels. Nach dem Willen der Labour-Linken soll Brown seinen Haushaltsüberschuss vor allem für die Verbesserung des öffentlichen Transportsystems verwenden. An dessen chronischer Unzuverlässigkeit hat sich schließlich auch unter "New Labour" nichts geändert. Die Parteiführung rechnet aber fest damit, dass sich Schatzkanzler Brown, der für seine Rede in Bournemouth heute seine Teilnahme an der Washingtoner Tagung des Internationalen Währungsfonds unterbrechen will, gegenüber der Parteilinken hart bleiben wird.

"Wir sind in einer unglaublich guten Lage", resümiert Giles Radice, einer von Tony Blairs Getreuen, die Aussichten von "New Labour": Eine Regierung, die beim Volk ankommt, eine denkbar schwache Opposition, und obendrein noch eine angenehme Haushaltslage. Es ist ja nicht so, dass sich Radice, den Blair zum Vorsitzenden des mächtigen Haushaltsausschusses gemacht hat, in den gut zwei Jahren bis zur nächsten Wahl nicht auch das eine oder andere überraschende Problem für seinen Regierungschef vorstellen kann. Das alte Spaltthema "Europa" soll beim Parteitag in Bournemouth weitgehend ausgeklammert werden - wie sich "New Labour" auch überhaupt über die kommenden Jahre hinweg mit dem unpopulären Euro-Beitritt nicht dem Volkszorn der Briten aussetzen will. Sehr zum Verdruss des überzeugten Pro-Europäers Radice übrigens.

Die Gefahr, dass "New Labour" ähnlich wie die SPD zum Opfer der eigenen Zerstrittenheit wird, schließt Labour-Mann Radice aber völlig aus: "Wir haben zehn Jahre - von 1987 bis 1997 - gebraucht, um die Flügelkämpfe zu überwinden. Jetzt haben wir das hinter uns".

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