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Politik: Die Zahl der Toten steigt immer weiter

Mindestens 330 Geiseln starben / Putin kündigt Härte gegen Terroristen an / EU-Reaktion verärgert Kreml

Beslan/Berlin Nach dem gewaltsamen Ende des Geiseldramas in Beslan hat sich am Samstag ein immer schrecklicheres Ausmaß der Tragödie abgezeichnet. Die Behörden in der südrussischen Stadt sprachen am Abend von 330 Toten und 260 Vermissten. Die meisten Vermissten seien Kinder, berichtete die Nachrichtenagentur Itar-Tass. In Krankenhäusern wurden am Samstagabend noch knapp 450 Verletzte behandelt. Insgesamt wurden mehr als 700 Menschen verletzt. Präsident Wladimir Putin sprach von einem Angriff auf ganz Russland und ordnete eine zweitägige Staatstrauer an.

Im Tagesverlauf waren in Beslan Gerüchte kursiert, wonach die Bergungsmannschaften von bis zu 500 Toten ausgingen. Wie Itar-Tass unter Berufung auf einen Beamten der Stadtverwaltung von Beslan berichtete, wurden von den 330 geborgenen Todesopfern bislang 270 identifiziert. Nach Schätzungen hielten die Geiselnehmer mindestens 1200 Kinder, Eltern und Lehrer im Schulgebäude in ihrer Gewalt.

Putin kündigte ein hartes Durchgreifen gegen tschetschenische Extremisten und deren Unterstützer an. Gleichzeitig sprach er von Fehlern bei der Bekämpfung des Terrorismus. Die Gefahr sei nicht richtig erkannt worden, sagte Putin in einer Fernsehansprache. „In jedem Fall konnten wir nicht adäquat reagieren.“ Die Sicherheitskräfte im Nordkaukasus würden umgruppiert. Zuvor hatte er bei einem Besuch der Opfer von Beslan angekündigt: „Jeder, der Sympathie für solch provokante Taten empfindet, wird als Komplize von Terroristen und Terror angesehen.“

Zu den Geiselnehmern gab es widersprüchliche Angaben. Vizegeneralstaatsanwalt Sergej Fridinski sagte, alle 26 seien getötet worden, der regionale Chef des Geheimdienstes FSB, Waleri Andrejew, sprach dagegen von über 40 Angreifern. Drei wurden Fernsehberichten zufolge gefangen genommen.

Die Bundesregierung wies den Terroristen die Verantwortung für das blutige Ende des Geiseldramas zu. Bundeskanzler Gerhard Schröder erklärte am Samstag: „Die Verantwortung tragen skrupellose Terroristen.“ Zuvor hatte der russische Außenminister Sergej Lawrow Äußerungen des niederländischen Außenministers und EU-Ratspräsidenten Ben Bot scharf kritisiert, der Zweifel an der Richtigkeit der Erstürmung geäußert hatte. Die „unangemessenen Kommentare“ Bots seien zu einem großen Teil beleidigend, hieß es in einer Stellungnahme des Außenministeriums in Moskau. Bot wies die Moskauer Kritik am Samstagabend zurück. Er habe am Vortag lediglich um mehr Informationen gebeten, aber damit nicht von einer mangelnden Klarheit über das Geiseldrama gesprochen.

Schröder wiederholte das Angebot an Russland, medizinische Hilfe zur Verfügung zu stellen, und verwies auf das fliegende Lazarett der Luftwaffe. Auch Außenminister Joschka Fischer sprach von einem „furchtbaren Verbrechen“. Schröder sagte zu Fragen nach einer politischen Lösung, er „glaube nicht, dass man mit Terroristen, die Kinder, die in panischer Angst fliehen, in den Rücken schießen, reden kann“. Der Grünen-Außenpolitiker Ludger Vollmer sagte im Inforadio Berlin-Brandenburg, angesichts der Gewaltbereitschaft der Geiselnehmer sei eine friedliche Lösung in Beslan „praktisch ausgeschlossen“ gewesen.

Papst Johannes Paul II. verurteilte die Geiselnahme als „gemeinen und rücksichtslosen Angriff auf wehrlose Kinder und Familien“. US-Präsident George W. Bush sicherte Russland Unterstützung beim Kampf gegen Terroristen zu.

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