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Politik: Die Rente mit 67 ist nur der Anfang

EU-Kommissar schlägt dauerhafte Anpassung vor.

László Andor hat gleich mit seinem ersten Satz versucht, den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Alle Fragen rund um die Rente „liegen in der Verantwortung der Mitgliedstaaten“, sagte der EU-Kommissar aus Ungarn, um zu betonen, dass seine am gestrigen Donnerstag vorgestellte „Agenda für angemessene, sichere und nachhaltige Renten“ lediglich Anregung sei.

Zündstoff bergen die Brüsseler Vorschläge dennoch. Die Euro-Staaten und einige andere im sogenannten Euro-Plus-Pakt haben Reformbedarf ausgemacht und erkennen dabei auch „die europäische Dimension“ an, von der Andor spricht. Ein EU-Diplomat berichtet, gerade Berlin sei es „nicht unrecht, dass die Kommission hier Input gibt“. Angesichts einer ständig steigenden Lebenserwartung fordert der EU-Kommissar Konsequenzen in der Rentenpolitik, „die einige Mitgliedstaaten schon in Angriff genommen“ haben. Und obwohl in Deutschland die Rente mit 67 bereits Gesetzeskraft erlangt hat, könnte die Entwicklung weitergehen. Denn dem Papier aus Brüssel zufolge kann es nicht bei einer einmaligen Anhebung bleiben. Vielmehr müsse „das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung gekoppelt werden“.

Dazu beitragen soll auch, den Geschlechterunterschied beim Renteneintritt zu beenden. Derzeit gehen in 13 von 27 EU-Staaten Frauen früher in Rente als Männer, 2020 wird das Renteneintrittsalter in 18 Staaten geschlechtsneutral sein. Brüssel drängt auch die übrigen dazu, was der CDU-Europaabgeordnete Thomas Mann heftig kritisiert. Die Kommission setze mit den Vorschlägen „leichtfertig den sozialen Frieden aufs Spiel“.

Manns SPD-Kollegin Jutta Steinruck kritisiert den Fokus der Kommission auf die private Vorsorge. Das Parlament hatte dafür plädiert, die staatliche Finanzierung der Rente wieder zu stärken: „Dabei vergisst die Kommission, dass es viele Menschen gibt, die sich eine private Vorsorge schlichtweg nicht leisten können.“

Direkte Konsequenzen hat das Ideenpapier in Bereichen, wo die EU Gesetzgebungskompetenz hat. So enthält es Pläne, dass Arbeitnehmer ihre Betriebsrentenansprüche beim Jobwechsel leichter mitnehmen können sollen. Während Brüssel damit deren Mobilität erhöhen will, befürchten Arbeitgeber und Gewerkschaften in Deutschland, viele Firmen könnten dann ganz auf Betriebsrenten verzichten.

Zudem erwägt die Kommission, auch Pensionsfonds höhere Eigenkapitalquoten abzuverlangen. Steinruck zufolge kämen auf deutsche Versicherungsträger Mehrkosten bis zu 45 Milliarden Euro zu: „Das wäre das Aus für die betriebliche Altersvorsorge in Deutschland.“ Kommissar Andor, der im März Berlin besucht, zeigte sich dennoch „ziemlich optimistisch“, dass man sich einig werde.

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