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Politik: Diese Männer könnten den Übergang vollziehen

Die libysche Übergangsregierung in Bengasi strebt nach der Macht für die Zeit nach dem Gaddafi-Regime. Doch wer kann das Land führen?

Die libysche Übergangsregierung in Bengasi strebt nach der Macht für die Zeit nach dem Gaddafi-Regime. Doch wer kann das Land führen? Seit Beginn des Bürgerkrieges sind viele ehemalige Gaddafi-Getreue übergelaufen. Der Nahost-Experte Udo Steinbach rechnet damit, dass die in den Nationalen Übergangsrat gewechselten Vertreter des alten Regimes noch eine Weile eine gewisse politische Rolle spielen werden, aber früher oder später abtreten. Ihre Aufgabe sei nun, den Machtübergang so zu organisieren, dass alle Libyer das Gefühl haben, partizipieren zu können.

Mahmud Dschibril ist der Chef der Gegenregierung in Bengasi. Der Ökonom, der seinen Masterabschluss und Doktortitel an der Universität von Pittsburgh in den USA erworben hat und fließend Englisch spricht, wird von den USA und Frankreich als neuer starker Mann in Libyen gesehen. Im Gaddafi-Regime war er von 2007 bis 2010 Vorsitzender des Nationalen Wirtschaftlichen Entwicklungsfonds. Dabei versuchte er, die libysche Wirtschaft für ausländische Investoren zu öffnen und insgesamt zu liberalisieren. Seit seinem Seitenwechsel hat Dschibril unter anderem die amerikanische Außenministerin Hillary Clinton, Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy sowie den deutschen Außenminister Guido Westerwelle getroffen und wurde so zum Gesicht und international akzeptierten Ansprechpartner der Übergangsregierung.

Mustafa Mohammed Abdul Dschalil, der Vorsitzende des Nationalen Übergangsrats, gehört diesem Gremium seit der Konstituierung im Februar an. Von 2007 bis 2011 war er libyscher Justizminister. Das Amt legte er nieder, als das Gaddafi-Regime begann, gewaltsam gegen Demonstranten vorzugehen. Dschalil forderte die internationale Gemeinschaft im März auf, sich zu einer Flugverbotszone durchzuringen. In geheimen Papieren von US-Diplomaten, die von der Internetplattform Wikileaks veröffentlicht wurden, wird Dschalil als offen und kooperativ beschrieben. Zu Beginn seiner Karriere war er Staatsanwalt und Richter, später Vorsitzender des Berufungsgerichts in Al Bayda. „Wir hoffen, Gaddafi lebend gefangen zu nehmen“, sagte Dschalil am Montag in Bengasi. Die Welt solle Zeuge eines Prozesses gegen den Diktator werden. Die neue Führung wolle nach dem Sturz des Gaddafi-Regimes Frieden und Recht durchsetzen. „Wir streben nach einem Staat, in dem alle Menschen die gleichen Rechte haben.“

Schukri Ghanem war zuletzt Ölminister unter Gaddafi und leitete zuvor auch die staatliche Ölvermarktungsgesellschaft NOC. Von 2003 bis 2006 war er zudem Premierminister des Landes. Schon als Gaddafis Macht noch sicher schien, kam es zu Disputen zwischen Ghanem und dem Machthaber. Streitpunkt war die wirtschaftliche Entwicklung des Landes. Ghanem setzte sich Mitte Mai nach Tunesien ab. In Rom sagte er wenige Wochen später, dass er sich wegen der „unerträglichen Gewalt“ vom Regime losgesagt habe. Sein Überlaufen galt für Gaddafi als entscheidender Rückschlag, weil er einer der ranghöchsten Regierungsmitglieder war. Ghanem ist international erfahren. Er hat an der amerikanischen Tufts-Universität in der Nähe von Boston Internationale Ökonomie, Recht und Diplomatie studiert.

Nassr al Mabruk Abdullah hat erst vor einer Woche dem Gaddafi-Regime den Rücken gekehrt. Der bisherige Innenminister ist als Tourist zunächst nach Tunesien und dann nach Ägypten gereist. Bei seiner Flucht hat er nach Angaben von Flughafenmitarbeitern in Kairo neun Familienangehörige mitgenommen. Abdullah war zum Zeitpunkt seiner Flucht Nummer zwei hinter Gaddafi. Diese Position hatte lange Zeit auch Abdul Fatah Junis inne, der mittlerweile getötete Militärchef der Rebellen. Junis wurde Ende Juli auf dem Weg nach Bengasi erschossen.

Abdul Hafiz Ghoga ist der Stellvertretende Vorsitzende und Sprecher des Übergangsrats. Zudem ist er Repräsentant der Stadt Bengasi. Vor dem Bürgerkrieg war Ghoga Anwalt mit Spezialisierung auf Menschenrechtsfragen. 1996 hatte er Angehörige von getöteten Gefängnisinsassen in Tripolis vertreten. Nach Ansicht der Menschenrechtsorganisationen Amnesty International und Human Rights Watch sind damals über 1 200 Menschen hingerichtet worden. Marc Etzold

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