zum Hauptinhalt
Der Tankdeckel eines VW Golf TDI mit der Aufschrift "Diesel".

© Patrick Pleul/dpa

Update

Dieselgate: Prozessauftakt im ersten Musterprozess

Am Freitag verhandelt das OLG Stuttgart über die Musterfeststellungsklage gegen die Mercedes-Benz Bank. Betroffene können sich am Donnerstag noch beteiligen.

Nachdem jahrelang über die neue Verbraucherklage gestritten worden war, geht es nun los. Am Freitag verhandelt das Oberlandesgericht Stuttgart als erstes deutsches Gericht über eine Musterfeststellungsklage. „Bei dem ersten Verhandlungstermin kann alles passieren“, sagt Timo Gansel. Der Berliner Rechtsanwalt vertritt die Schutzgemeinschaft für Bankkunden, die im Musterprozess gegen die Mercedes-Benz Bank vorgeht. „Es ist für Klägerin, Beklagte und das Gericht eine komplett neue Art der Klage in Deutschland.“

Individueller Schadenersatz läuft extra

Die Musterfeststellungsklage gibt es erst seit November. Sie soll Verbrauchern helfen, leichter zu ihrem Recht zu kommen. In Fällen, in denen es eine Vielzahl von Geschädigten gibt, soll eine Verbraucherorganisation per Musterprozess die grundsätzlichen rechtlichen Fragen klären lassen, betroffene Bürger können sich an der Klage beteiligen. Dazu müssen sie sich in ein Klageregister eintragen lassen, das beim Bundesamt der Justiz geführt wird. Die Eintragung ist kostenlos. Der Vorteil: Wer sich auf diesem Wege an der Musterfeststellungsklage beteiligt, kann sich auf das Grundsatzurteil im Musterprozess berufen. Seinen individuellen Schadensersatz muss man aber in einem zweiten Schritt selber geltend machen und notfalls einklagen.

In der Union hatte es große Vorbehalte gegen die neue Klageart gegeben, doch die Dieselaffäre brachte schließlich den Durchbruch. Ende 2018 drohten viele Schadenersatzansprüche gegen Volkswagen zu verjähren, die Musterfeststellungsklage sollte das verhindern. Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) hatte daher Tempo gemacht, um VW-Kunden, die mit einem manipulierten Diesel unterwegs sind, den Rücken zu stärken. Verbraucherschützer waren vorbereitet.

Die ersten: Klaus Mueller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), links und ADAC-Chef August Markl (2.v.l.) vor den Ordnern zur Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen.
Die ersten: Klaus Mueller, Chef des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (VZBV), links und ADAC-Chef August Markl (2.v.l.) vor den Ordnern zur Musterfeststellungsklage gegen Volkswagen.

© imago/photothek

Die erste Klage richtet sich gegen VW

Am 1. November reichten der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) und der ADAC die erste Musterfestellungsklage Deutschlands ein. Sie richtet sich gegen Volkswagen und will klären, welche Rechte die VW-Kunden in der Dieselgateaffäre haben. Das Verfahren stößt auf Rieseninteresse. Fast 400.000 Anmeldungen zum Klageregister hat das Bundesamt für Justiz in dem Verfahren gegen VW registriert, Anmeldungen sind noch möglich. Das Register wird erst geschlossen, wenn das Gericht seinen ersten Verhandlungstag hat. Zuständig für die Musterfeststellungsklage des VZBV gegen VW ist das Oberlandesgericht Braunschweig. Einen Termin für die Eröffnung des Verfahrens gibt es hier noch nicht.

Betroffene können sich noch bis Donnerstag melden

Das Verfahren in Stuttgart ist kleiner, dafür sind die Richter schneller. Gut 630 Anmeldungen enthält das Klageregister in dem Prozess gegen die Mercedes-Benz-Bank. Dahinter stehen Menschen, die ihr Auto – egal ob neu oder gebraucht, Benziner oder Diesel – per Kredit finanziert haben. Nach Meinung der Schutzgemeinschaft für Bankkunden sind die Kunden nicht ordnungsgemäß über ihre Möglichkeit informiert worden, den Kreditvertrag zu widerrufen. Konsequenz: Ein Widerruf der Verträge wäre auch heute noch möglich. Interessant ist das vor allem für Verbraucher, die einen manipulierten Diesel gekauft haben. Sie hoffen darauf, über den Widerruf des Vertrags ihr Auto an den Händler zurückgeben zu können – ob sie für die Nutzung des Autos zahlen müssen oder nicht, ist ebenfalls Gegenstand des Prozesses. Betroffen sind Kreditverträge, die ab dem 13. Juni 2014 geschlossen worden sind. Betroffene können sich an dem Verfahren noch beteiligen. „Bis Donnerstag kann sich man sich noch eintragen lassen“, heißt es bei der Kanzlei Gansel. Wie lange das Verfahren dauern wird, ist unklar. Das Stuttgarter Oberlandesgericht hat zu erkennen gegeben, möglicherweise den Europäischen Gerichtshof einschalten zu wollen. Mit der Verfahrenseröffnung am Freitag sind die Schwaben aber auf jeden Fall die ersten.

Zweites Musterverfahren gegen die Volkswagen-Bank vorerst gescheitert

Ob die Schutzgemeinschaft für Bankkunden auch noch ein weiteres Musterverfahren führen kann, steht noch in den Sternen. Eigentlich hatte der Verband auch die Volkswagen-Bank wegen der Widerrufsbelehrung in den Kreditverträgen verklagen wollen. Anders als das Oberlandesgericht Stuttgart hatte das für die Klage gegen die VW-Bank zuständige Oberlandesgericht Braunschweig die Eröffnung des Klageregisters in dieser Sache aber abgelehnt. Nach dem Gesetz muss der Verband nachweisen, dass er mindestens 350 Mitglieder hat. Aus Datenschutzgründen hatte die Schutzgemeinschaft aber die Namen auf der Mitgliederliste geschwärzt. Das haben die Braunschweiger Richter nicht akzeptiert. Die Schutzgemeinschaft lässt jedoch nicht locker: „Wir haben beim Bundesgerichtshof Rechtsbeschwerde eingelegt“, berichtet Kanzleisprecherin Kira Christiana Melzer. Klar ist: Im juristischen Neuland ist noch vieles ungewiss.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false