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BGH äußert sich erstmals zum Diesel und sagt: Die Abschalteinrichtung ist ein Mangel.

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Dieselskandal: Kein Urteil ist auch Recht

Der Beschluss des Bundesgerichtshof erinnert Volkswagen und die anderen Auto-Konzerne an ihre Pflichten. Ein Kommentar.

Und wieder nichts. Die Hoffnung, der Bundesgerichtshof würde ein klärendes Urteil im Diesel-Skandal sprechen, blieb unerfüllt. Wieder einmal gelang dem Volkswagenkonzern, in letzte Minute eine Einigung zu erreichen, um eine drohende Niederlage und manche rechtskräftige Festlegung abzuwenden. Entsprechend tönt es aus Wolfsburg, dass sich Käufer keinem falschen Optimismus hingeben sollten.

Doch der so genannte Hinweisbeschluss, in juristischer Hinsicht eine Formalie in einem erledigten Prozess, dürfte Wirkung entfalten. Erstmals bezeichnen die höchsten Richter die Abschaltautomatik in Diesel-Pkws als das, was es neben einem Massenbetrug auch noch ist: ein Sachmangel. Als Grund dafür werden keine technischen Merkmale genannt, sondern ein drohender Entzug der Betriebszulassung – das Auto war damit ab Herstellung und folglich von vornherein ungeeignet, im Straßenverkehr geführt zu werden.

Eine handfeste gute Nachricht

Für Kläger, die solche Ansprüche rechtzeitig geltend gemacht haben, ist der Beschluss deshalb eine handfeste gute Nachricht. Und als solche war er vom BGH vermutlich gedacht. In Karlsruhe dürfte aufmerksam beobachtet worden sein, wie Volkswagen seit langem taktiert, mit legalen Mitteln, aber eben auch so, dass die Rechtsprechung des obersten Gerichts ihre Aufgabe, für Einheitlichkeit zu sorgen, gerade nicht erfüllen kann. Gerichte werden den höchstrichterlichen Hinweis jetzt kaum übergehen können, wenn sie über vergleichbare Fälle entscheiden. Andererseits ist damit noch nichts über mögliche Mängel gesagt, die nach dem von VW aufgenötigten Software-Update verblieben sein könnten. Und auch nichts für die hunderttausendfachen Klagen, mit denen der Konzern auf anderen Wegen in Haftung genommen wird.

Statt Entschädigung gab es digitale Codes

Es ändert sich deshalb wenig am Befund nach mehr als drei Jahren Aufarbeitung des Dieselskandals. Die Konzerne drücken sich, die Politik hilft ihnen, die Autobesitzer grämen sich, und die Justiz muss die Konflikte auffangen, die sich aus diesen Spannungen ergeben. Während in den USA Milliardensummen in die Hand genommen wurden, um Käufer zu entschädigen, bekommen hiesige Halter ein paar digitale Codes für ihr Auto und vielleicht noch Gutscheine für Harnstofflösung in die Hand. Drohende Fahrverbote, der Preisverfall als Gebrauchter – Schicksal eines typischen Konsumentenlebens.

Das ist zu wenig. Zwar war der Gesetzgeber noch rechtzeitig dran mit seiner Musterfeststellungsklage; doch die erscheint auch nur als bedingt geeignetes Instrument. Der digitale Großbetrug mit der verniedlichend so genannten Schummel-Software trifft zu viele Bürgerinnen und Bürger, als dass die Angelegenheit auf einen Streit zwischen Kunden und Herstellern reduziert werden könnte. Die Dieselbesitzer angemessen zu entschädigen, ist eine Pflicht der Konzerne. Der BGH-Beschluss könnte ihnen helfen, sich daran zu erinnern.  

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