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Politik: Diktator in den Keller

In Nordkorea werden Bilder von Kim Jong Il abgehängt – Anzeichen für einen Machtkampf an der Spitze?

In der nordkoreanischen Hauptstadt Pjöngjang sind in den vergangenen Wochen öffentliche Porträts des Führers Kim Jong Il abgehängt worden. Als Erste hatte die russische Nachrichtenagentur Itar-Tass das Verschwinden einiger Kim-Bilder in Pjöngjang berichtet. In Nordkorea stationierte Diplomaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen haben dies mittlerweile bestätigt. Einige der Porträts, die in Nordkorea normalerweise in jeder Amtsstube und jeder Schule hängen, sollen bereits im September oder August abgehängt worden sein. „An einigen Orten wurden sie durch Kim-Il-Sung-Bilder ersetzt", sagte ein Diplomat. Der 1994 verstorbene Kim Il Sung, der Vater des heutigen Führers Kim Jong Il, ist bis heute offiziell das Staatsoberhaupt Nordkoreas. Beide sind im Mittelpunkt eines bizarren Personenkults, der mit dem um Stalin oder Mao vergleichbar ist.

Da Nordkoreas verschwiegenes Regierungssystem bis heute kaum Einblicke zulässt, kann über die Gründe für die abgehängten Bilder nur spekuliert werden. Nach Ansicht der südkoreanischen Regierung gibt es keine Anzeichen für einen möglichen Machtkampf innerhalb des Regimes. Eine andere mögliche Erklärung für die Vorgänge ist, dass Kim Jong Il den Personenkult um sich abschwächen will. „Kim Jong Il ist bekannt dafür, dass er privat etwas skeptisch gegenüber dem Personenkult um sich ist“, sagte der Nordkoreaexperte und Buchautor Michael Breen. Einem unbestätigten Bericht der südkoreanischen Nachrichtenagentur Yonhap zufolge soll Kim die Bilder-Abhängung vor drei Wochen persönlich angeordnet haben, weil sein Ansehen von der Propaganda „zu hoch gehoben“ worden sei. Allerdings widersprach Yonhap japanischen Berichten, demnach auch die Staatsmedien die Tonlage gegenüber dem Führer verändert hätten. Die nordkoreanische Agentur KCNA bezeichnete Kim in einem Bericht am Donnerstag mit dem gewohnt huldvollen Titel „hoch geschätzter, brillanter Kommandant der Songun-Revolution und Kopf der Nation“.

Diplomaten und Mitarbeiter von Hilfsorganisationen berichteten in den vergangenen Monaten von einer vorsichtigen Lockerung der rigiden Planwirtschaft. Die Zahl der freien Bauernmärkte, auf denen auch Produkte aus China gehandelt werden, habe sich erhöht. Westliche Diplomaten dürfen seit einiger Zeit auch den großen Markt in Pjöngjang besuchen. In den vergangenen Jahren hatte das Regime versucht, diese Märkte geheim zu halten. Eine sichtbare Veränderung ist auch, dass sich die Zahl der Autos auf den Straßen erhöht hat. Manche Beobachter sehen in der Abschwächung des Personenkults um Kim ein Zeichen für eine weitere wirtschaftliche Öffnung.

Harald Maass[Peking]

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