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Politik: Diktator zu Gast in Brüssel

Barroso will sich mit dem usbekischen Staatschef Karimow treffen – Menschenrechtler sind entsetzt

Berlin - Über diesen Besucher redet in Brüssel derzeit niemand gern – schließlich gilt der Gast als einer der schlimmsten Diktatoren der Welt. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso empfängt nach Informationen des Tagesspiegels am kommenden Montag in Brüssel den usbekischen Staatschef Islam Karimow. Bei dem Gespräch stünden Energie- und Wirtschaftsfragen sowie regionale Entwicklungen, etwa in Afghanistan, auf der Agenda, hieß es in Kommissionskreisen. Natürlich würden auch die Menschenrechte angesprochen, wurde in Brüssel versichert. Karimow führt außerdem Gespräche bei der Nato. Die US-Organisation Freedom House zählt Usbekistan zu den zehn repressivsten Ländern der Welt – auf einer Stufe mit Nordkorea oder dem Sudan.

Menschenrechtler kritisieren das geplante Treffen: „Karimows Besuch in Brüssel ist ein großer Erfolg für die usbekische Tyrannei und eine Niederlage für Freiheit und Demokratie, nicht nur in unserem Land“, sagt Umida Nijasowa, Vorsitzende des Usbekisch-Deutschen Forums für Menschenrechte. Die Einladung sei ein fatales Signal: „Alle Diktatoren von Weißrussland bis Zentralasien können jetzt absolut unbesorgt sein: Sie können mit ihren Bürgern machen, was sie wollen.“

Karimow, der das Land seit mehr als 20 Jahren autoritär regiert, wird für schwere Menschenrechtsverletzungen verantwortlich gemacht.Nach einem Massaker in Andischan im Mai 2005 hatte die EU Sanktionen gegen das Regime in Taschkent verhängt. Das Einreiseverbot gegen Karimow und andere Verantwortliche sowie das Waffenembargo wurden aber in den Jahren 2008 und 2009 wieder aufgehoben. In Andischan hatten Sicherheitskräfte willkürlich auf Demonstranten geschossen und mehrere hundert Menschen getötet. Bis heute hat es keine unabhängige internationale Untersuchung des Massakers gegeben, obwohl die EU davon ursprünglich die Aufhebung der Sanktionen abhängig gemacht hatte. Andere Bedingungen der EU hat das Regime ebenfalls nicht erfüllt.

Die Verfolgung von Regimegegnern in Usbekistan nahm im vergangenen Jahr sogar noch zu, so die Bilanz von Human Rights Watch. Auch Amnesty International berichtet von Repressionen gegen Bürgerrechtler und Journalisten, willkürlichen Festnahmen und Folter. Tausende sitzen unter Islamismusverdacht hinter Gittern. 2010 wurden nach Angaben usbekischer Menschenrechtler 39 Häftlinge, die wegen Religionsvergehen verurteilt waren, zu Tode gefoltert. „Allein in diesem Monat starben bereits zwei politische Häftlinge im Gefängnis“, sagt Nijasowa. Auf den Baumwollfeldern Usbekistans werden Kinder von Staatsbediensteten zur Arbeit gezwungen.

Für den Westen ist das Land allerdings von strategischer Bedeutung: Durch Usbekistan verläuft eine Nachschubroute für den internationalen Militäreinsatz in Afghanistan, die angesichts der Angriffe auf die Route durch Pakistan immer wichtiger wird. Vor zwei Jahren hatte Karimow den USA gedroht, die Nutzung der Route zu untersagen, wie der „Guardian“ unter Berufung auf die von Wikileaks erhaltenen diplomatischen Depeschen berichtete. „Ihn unter Druck zu setzen – besonders öffentlich – könnte uns den Transit kosten“, warnte US-Botschafter Richard Norland. Deutschland unterhält im usbekischen Termes eine Luftwaffenbasis. Dort machen alle Bundeswehrsoldaten Station, die auf dem Weg zu ihrem Einsatz in Afghanistan sind.

Außerdem verfügt Usbekistan über große Erdgasvorkommen. Für die geplante Nabucco-Pipeline, die Europa von russischem Gas unabhängiger machen soll, sucht die EU noch dringend Lieferanten. Barroso war deshalb zusammen mit Energiekommissar Günther Oettinger in der vergangenen Woche nach Aserbaidschan und Turkmenistan gereist.

Aber all das erkläre noch nicht, warum Barroso nun einen der furchtbarsten Diktatoren der Welt empfange, sagt Andrew Stroehlein von der International Crisis Group in Brüssel. Die Nachschubroute durch Usbekistan sei längst verhandelt, und für die Energieversorgung Europas seien andere Länder wichtiger als Usbekistan. „Es ist vollkommen unklar, was die EU durch das Treffen mit Karimow zu erreichen hofft“, betont Stroehlein. „Dieser Besuch ist ein Skandal.“

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