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Direkte Demokratie: Koalition weiter uneins über Plebiszite

Die Union steht Volksentscheiden auf Bundesebene weiter skeptisch gegenüber. Mit Plebisziten wäre keine wichtige Richtungsentscheidung in Deutschland zustande gekommen, so Bundestagspräsident Lammert. Die SPD sieht das dagegen anders.

Berlin - SPD und Union sind weiter uneins über die Einführung von Elementen direkter Demokratie auf Bundesebene. Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sagte im Bayerischen Rundfunk, Volksbegehren seien zwar "kein Ersatz für repräsentative Demokratie", könnten aber eine Ergänzung sein. "Wir sollten diesen Schritt endlich tun." Demgegenüber bekräftigte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) das Nein der Union zu Volksbegehren und Volksentscheiden. Linksfraktionsvize Petra Pau wiederum sprach sich für die Einführung von Volksentscheiden auf Bundesebene aus.

Thierse beklagte, eine Verfassungsänderung zur Einführung plebiszitärer Elemente sei bisher an CDU und CSU gescheitert. Lammert betonte im "Focus" hingegen: "Würde man fragen, ob das Gesundheitssystem verändert werden oder so bleiben soll wie es ist, muss man am Ausgang eines solchen Plebiszits wohl keinen Zweifel haben", sagte Lammert. Er fügte hinzu: "Wohl keine der großen politischen Richtungsentscheidungen beim Aufbau der Bundesrepublik Deutschland wäre so zustande gekommen." Dies gelte beispielsweise für die Einführung der Sozialen Marktwirtschaft, die Gründung der Bundeswehr, die Ostverträge und den Nato-Doppelbeschluss.

Pau erklärte, in Fragen direkter Demokratie sei die Bundesrepublik "nach wie vor ein EU-Entwicklungsland". Der erste Sündenfall sei die schlichte Übernahme des alten Grundgesetzes in die neue Bundesrepublik gewesen, obwohl das Grundgesetz selbst eine Volksabstimmung über eine neue Verfassung vorsah. Der zweite Sündenfall sei die Verweigerung einer Volksabstimmung über die künftige EU-Verfassung gewesen, obwohl in anderen Ländern die Bürger selbst entscheiden könnten. Inzwischen werde in Deutschland ein "zunehmender Demokratie-Verdruss" beklagt. "Dagegen hilft aber kein Klagen, auch keine repräsentative Nabelschau, sondern nur mehr Demokratie." (tso/AFP)

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