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Politik: Direkter Draht: Die beiden Kriegsherren waren ständig verbunden

Sie galten als Intimfeinde und waren sich in ihrem Menschen verachtenden Nationalismus doch so ähnlich. Niemand hat während des Bosnienkrieges (1992 - 1995) zu sagen vermocht, ob Serbiens Präsident Milosevic oder Kroatiens Präsident Tudjman der größere Kriegstreiber sei.

Sie galten als Intimfeinde und waren sich in ihrem Menschen verachtenden Nationalismus doch so ähnlich. Niemand hat während des Bosnienkrieges (1992 - 1995) zu sagen vermocht, ob Serbiens Präsident Milosevic oder Kroatiens Präsident Tudjman der größere Kriegstreiber sei. Beide hetzten ihre Armeen gegeneinander, und als Waffenbrüder machten sie den verhassten Moslems das Leben zur Hölle. Legenden umranken die zweifellos charismatischen Führer der beiden größten Nachfolgestaaten des früheren Jugoslawien. So zum Beispiel jene über die geplante Aufteilung von Bosnien-Herzegowina, mit der sie den Moslems auch politisch und wirtschaftlich das Wasser abgraben wollten.

Auf einer Serviette malte Milosevic während eines Banketts die Grenzen eines geteilten Staates auf, der den Moslems jeden Zugang zur Adria versperren sollte. Tudjman stimmte zu. Weil die beiden diese Lösung gegenüber der internationalen Gemeinschaft jedoch weder militärisch noch später in den Verhandlungen zum Dayton-Friedensvertrag durchsetzen konnten, versuchten sie die Teilung nach dem Krieg durch die Ansiedlung von Flüchtlingen nach ethnischen Aspekten zu besiegeln. In Westbosnien sollten kroatische Vertriebene, in Ostbosnien serbische Flüchtlinge Fuß fassen und somit den Einflussbereich Kroatiens im Westen und Serbiens im Osten zementieren. Milosevic verzichtete dabei gegenüber Tudjman auf die zuvor eroberte kroatische Kraijna und wollte die fliehenden Serben im Kosovo ansiedeln. Im Gegenzug verließen Kroaten das Gebiet der heutigen bosnischen Serbenrepublik.

Dass sich Milosevic und Tudjman sehr eng über ihre militärischen und politischen Ziele abstimmten, deckte jetzt kein Geringerer als Tudjmans Nachfolger im Amt des kroatischen Präsidenten, Stipe Mesic, auf. Der im Januar gewählte Staatschef lud Journalisten in das Präsidenten-Arbeitszimmer und führte eine Reihe Telefone vor, darunter ein schwarzes. Experten des kroatischen Geheimdienstes fanden heraus, dass dieses Telefon Tudjmans heißer Draht zu Milosevic nach Belgrad war. Die direkte Verständigung über Schlüsselfragen der Bosnien-Krise verlief demnach von der internationalen Gemeinschaft unbemerkt. 47-mal, so geben von Mesic öffentlich gemachte Protokolle darüber hinaus wieder, haben sich Tudjman und Milosevic unmittelbar vor und während des Bosnienkrieges heimlich getroffen.

Stipe Mesic, der nach Tudjmans Tod im Dezember die ersten freien Wahlen gewonnen hatte und als Hoffnungsträger gilt, will gar nicht erst in Verdacht geraten, ähnliche Geheimbeziehungen zu Milosevic zu unterhalten. Wie er den heißen Draht entdeckte? Mesic: "Von den vielen Telefonen hat dieses eine während meiner Amtszeit nicht einmal geklingelt."

Claudia Lepping

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