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Politik: Diskrete Freundschaftsdienste

Frankreichs Arbeitsminister Eric Woerth muss sich auch im Urlaub mit Fragen zu Interessenkonflikten herumschlagen

Bei Gletscherwanderungen am Mont- Blanc- Massiv hoffte Frankreichs Arbeitsminister Eric Woerth Kraft zu sammeln für die nach der Sommerpause anstehende Rentenreform. Doch die Medien haben anders entschieden. Statt sich auf die Debatten im Parlament und die Verhandlungen mit den Gewerkschaften vorzubereiten, muss sich Woerth auch in seinem Urlaub mit den Skandalen aus seiner vorigen Amtszeit als Budgetminister und Schatzmeister der Regierungspartei UMP herumschlagen. Beinahe täglich gibt es Enthüllungen zu Affären, in denen Schatten der Parteinahme zugunsten politischer Freunde auf den Mann fallen, der Präsident Nicolas Sarkozys schwierigstes Reformvorhaben durchsetzen soll.

Interessenkollision lautet der Vorwurf, der immer wieder gegen Woerth erhoben wird. Schon bei der seit zwei Monaten schwelenden Affäre um die L’Oréal-Erbin Liliane Bettencourt, bei der es um Steuerflucht und mögliche illegale Wahlspenden für Sarkozy geht, kam der Verdacht auf, dass Woerth bei manchen Steuerpflichtigen schon mal ein Auge zudrückte. Er habe als Minister nie in ein Steuerverfahren eingegriffen, es ausgelöst oder behindert, ließ Woerth sich von der Generalinspektion der Finanzen in einer Untersuchung bestätigen. Diese stützte sich indes allein auf Unterlagen, die Woerths Nachfolger zur Verfügung stellte.

Eine Einmischung dementierte Woerth auch in einer Affäre um eine Steuerermäßigung in Höhe von 27 Millionen Euro, die die Zeitung „Libération“ diese Woche ausgrub. Diese Ermäßigung soll er 2008 den Erben des Bildhauers César Baldachini zuerkannt haben. Die Entscheidung sei nicht von ihm, sondern seiner Verwaltung getroffen worden, erklärte er. Mit dem Testamentsvollstrecker Alain Dominique Perrin habe er darüber nicht verhandelt. Unter Berufung auf einen im Wortlaut veröffentlichten Brief des Ministers an den Testamentsvollstrecker beharrt „Libération“ jedoch auf dem Vorwurf.

Perrin gehört übrigens wie der Verwalter des Bettencourt-Vermögens Patrice de Maistre dem „Premier Cercle“ an, dem „Ersten Kreis“ von Wohltätern für die Regierungspartei UMP.

In einer anderen Affäre hingegen ist belegt, dass Woerth untätig blieb – was ihm nun aber auch als Interessenkonflikt vorgehalten werden kann. Es geht um das Erbe des Milliardärs, Gemäldesammlers und Rennstallbesitzers Daniel Wildenstein. Dessen Witwe Sylvia sieht sich von Wildensteins Sohn aus erster Ehe, Guy, um ihr Erbteil betrogen. Offiziell wurden nur 43 Millionen Euro als Erbe deklariert. Tatsächlich handele es sich aber um drei bis vier Milliarden, schrieb der Anwalt der Witwe 2009 an Woerth. Stiefsohn Guy habe das Vermögen in Treuhandgesellschaften auf der Kanalinsel Jersey und anderen Steuerparadiesen in Sicherheit gebracht. Eine Antwort des Ministers erhielt der Anwalt nie, auch nicht einige Monate später auf ein Mahnschreiben. Woerth, der vergangenes Jahr zur Jagd auf Inhaber nicht deklarierter Konten in der Schweiz blies, unternahm in dieser Affäre nichts, bestätigte sein Kabinett. Auch Guy Wildenstein, Mitglied der Ehrenlegion, gehört dem „Ersten Kreis“ der UMP-Spender an.

Daneben nehmen sich zwei andere Affären fast wie Lappalien aus. So hatte Woerth noch zwei Tage vor seinem Ausscheiden aus dem Amt des Budgetministers im Mai dieses Jahres den Verkauf des Hippodroms von Compiègne unter Umgehung der Ausschreibungspflicht zum Schnäppchenpreis von 2,5 Millionen Euro bewilligt. Ohne Rücksicht auf geltende Vorschriften und ohne Zustimmung des Parlaments kam auch der Ankauf des Pariser Konzertsaals Salle Pleyel zustande. Das Gebäude war 2004 auf Drängen des damaligen Finanzministers Sarkozy zunächst vom Staat gemietet worden. 2009 entschied Woerth, es von dem Eigentümer, einem UMP-Mitglied, ganz zu erwerben. Den Kaufpreis von 60,5 Millionen Euro beglich er aus dem Hilfsfonds für die Autoindustrie.

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