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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) – hier am 8. Mai.

© John MacDougall/Reuters

Kanzlerin debattiert mit Luisa Neubauer: Merkel besorgt über mögliche Klimaleugner-Mehrheit

Die Kanzlerin verteidigt beim Kirchentag ihre Klimapolitik – man müsse die Leute mitnehmen. Aktivistin Neubauer warnt: Die Klimakrise schadet der Demokratie.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat beim Ökumenischen Kirchentag in Frankfurt betont, dass sich weitgehende Klimaschutzmaßnahmen nur mit entsprechenden politischen Mehrheiten durchsetzen lassen. Die Diskussion war wegen Corona ohne Publikum aufgezeichnet worden. Der noch bis Sonntag laufende Kirchentag findet großenteils digital statt.

In der Diskussion mit Klimaaktivistin Luisa Neubauer sagte Merkel am Samstag: „Ich verstehe auch – und das macht mich auch ein bisschen betrübt natürlich – dass junge Leute sagen ,Mann, mussten wir erst zum Gericht gehen, ehe die uns da mal in der Regierung wirklich das geben, was uns zusteht'.“

Allerdings gelte auch: „In einer Demokratie muss ich auch immer Mehrheiten für etwas bekommen.“ Das Bundesverfassungsgericht hatte den Gesetzgeber verpflichtet, das Klimaschutzgesetz für die Zeit nach 2030 näher zu regeln. Das Bundeskabinett beschloss am Mittwoch daraufhin eine neue Fassung.

Ihr eigener Wahlkreis sei ein ländlicher, und dort gebe es zum Beispiel viele Bedenken gegen Windkraftanlagen. „Das geht schon sehr massiv zur Sache. Jede neue Stromtrasse, die wir bauen müssen, wird beklagt.“ Wenn man die Leute nicht mitnehme, könne dies auch dazu führen, dass irgendwann vielleicht die Klimaleugner die Mehrheit hätten, was sie auf keinen Fall wolle. „Wir haben ja gesehen, die Vereinigten Staaten von Amerika sind vier Jahre auf der höchsten politischen Ebene unter Präsident Trump dann eben ausgefallen als Akteur, und es ist gut, dass sie jetzt wieder zurück sind.“

Neubauer: Mehr Klimakrise nicht gut für Demokratien

Neubauer sagte dazu: „Ich finde es ehrlich gesagt sehr schwierig, sozusagen Klimaschutz mit einem ,Aber wir sind in einer Demokratie'-Nebensatz einzurahmen, denn es impliziert, es würde die Demokratie sein, die uns im Weg steht.“ Die Frage sei für sie nicht, wieviel Klimaschutz man sich leisten könne, bevor die Demokratie überstrapaziert werde. „Sondern: Was brauchen denn Demokratien im 21. Jahrhundert, um uns durch diese Krisen zu bringen, wie müssen sie ausgerüstet sein? Denn offensichtlich ist ja das: Mehr Klimakrise wird unseren Demokratien auch nicht gut tun.“

Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer – hier im Juni 2020.
Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer – hier im Juni 2020.

© Imago Images/Ipon

Merkel sagte weiter, um Klimaneutralität in Deutschland bis 2045 zu erreichen, seien jährliche Überprüfungen und Verhaltensänderungen notwendig. „Damit wir das Ziel auch erreichen, wird immer dann ein Sofortprogramm ausgelöst, wenn wir vom Zielpfad abzuweichen drohen“, so Merkel. Dies sei Teil der verschärften Klimaschutz-Beschlüsse der Bundesregierung, die eine Minderung des CO2-Ausstoßes bis 2030 um 65 Prozent gegenüber 1990 vorsehen. Diese Überprüfung finde jährlich statt.

Damit die Klimaschutzziele erreicht würden, müssten die Menschen zudem ihr Verhalten ändern. Merkel kritisierte eine Verschwendungskultur gerade bei Lebensmitteln. „Wir können sehr, sehr gut auf 20 Prozent der Produktion verzichten, wenn wir bewusster mit den Dingen umgehen“, sagte sie. „Verhaltensänderungen sind von uns allen zwingend erforderlich.

Merkel: Fridays for Future erfüllt wichtige Aufgabe

Gegenüber Neugebauer verteidigte die Kanzlerin die Politik der Bundesregierung, lobte aber ausdrücklich weitergehende Forderungen zur CO2-Reduktion. „Es wird notwendig sein, dass wir immer Treiber brauchen. Deshalb erfüllt Fridays for Future hier eine wichtige Aufgabe“, sagte sie mit Blick auf die Klimaschutz-Bewegung.

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Zugleich lehnte Merkel eine Änderung des 2020 von Bund und Ländern vereinbarten Kohlausstiegs bis spätestens 2038 ab. „Die Betroffenen brauchen schon ein Stück Verlässlichkeit auf dem Weg hin zu Klimaneutralität", sagte Merkel. „Ich möchte das nicht nach einem Jahr wieder aufschnüren.“ Ohne einen früheren Kohleausstieg sind manchen Experten zufolge die ehrgeizigeren Klimaschutzziele nicht zu erreichen.

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Allerdings wies Merkel darauf hin, dass die tatsächliche Nutzung der Kohle stark vom CO2-Preis im europäischen Emissionshandel für Treibhausgase abhänge. Schon jetzt sorge ein Tonnenpreis von 50 Euro dafür, dass Braunkohle weniger genutzt und damit auch weniger aus Kohle produzierter Strom exportiert werde. Die Entwicklung sei also gar nicht mehr allein national steuerbar. Über einen möglichen früheren Ausstieg aus der Kohle entscheide, welche Technologie am besten mit den steigenden CO2-Preisen klar komme, sagte Merkel.

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Am Mittwoch hatte RWE mitgeteilt, dass der Kohleausstieg unter anderem von einem schnelleren Ausbau des Ökostroms abhänge. Die Frage des Datums des Kohleausstiegs spielt auch im Landtagswahlkampf in Sachsen-Anhalt eine Rolle. Dort wird am 6. Juni ein neuer Landtag gewählt.

Merkel sagte zudem, dass sie als Bundeskanzlerin nach der Corona-Pandemie weniger reisen wolle, um das Klima zu schützen. Vieles sei auch über Videokonferenzen zu besprechen. Das heiße aber nicht, dass sie nie wieder mit Menschen zusammenkommen wolle. „Mir fehlt das schon“, räumte die Kanzlerin ein. (dpa, Reuters, epd)

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