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Stop den Schulden - oder der Schuldenbremse?

© Uwe Zucchi/picture-alliance/dpa

Disziplinierung für die Regierung: Es wäre fatal, die Schuldenbremse aufzugeben

Die Schuldengrenze im Grundgesetz war und ist eine gute Idee. Wer sie abschaffen will, nutzt den Bürgern nicht. Im Gegenteil. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Die schwarze Null steht zwar im Grundgesetz. Aber sie ist nicht in Stein gemeißelt. Und das Gebot für Bund und Länder, ihre Etats grundsätzlich ohne neue Kredite auszugleichen, ist zwar der Kernsatz der Schuldenbremse.

Aber in der Verfassung steht noch ein bisschen mehr: Die eherne Regel darf durchaus locker gehandhabt werden. Man kann mit ihr auf konjunkturelle Dellen reagieren. Sie lässt zumindest dem Bund generell einen gar nicht so kleinen Verschuldungsspielraum.

Trotzdem melden sich jetzt immer mehr Kritiker. Die Schuldenbremse solle stärker gelockert werden, fordern die moderateren Gegner der jetzigen Regel. Sie würde am besten ganz abgeschafft, meinen die radikaleren. Das Thema spielt eine nicht unwesentliche Rolle im SPD-Führungsstreit und kann daher demnächst die Koalition belasten.

Denn die Union zählt die schwarze Null zu ihrem Markenkern. Finanzminister Olaf Scholz gilt zwar als Anhänger der Schuldenbremse - aber wohin treibt ihn seine Partei? Zehn Jahre nach dem Beschluss, sie umzusetzen, und noch bevor sie überhaupt ihre Tauglichkeit in einem echten Abschwung hätte beweisen können, ist die Schuldenbremse massiv in Frage gestellt. Hat sie ihre Schuldigkeit schon getan?

Ergebnis einer Schuldenkrise

Der Sinn und Zweck eines politischen Instruments erschließt sich immer ganz gut aus den Umständen seiner Entstehung. Die Schuldenbremse ist nicht zuletzt eine Reaktion auf die große Finanzkrise, die vor gut zehn Jahren die Welt erschüttert hat. Es war eine Schuldenkrise, Ergebnis vor allem privater Überschuldung in einigen Ländern, allen voran die USA, die jedoch zu einer Staatsschuldenflut führte. Denn die Regierungen mussten Banken und Versicherungen retten und eine einbrechende Konjunktur auffangen. Nun sind Schulden nicht per se schlecht, auch Staatsschulden nicht.

Das Gegenlenken durch höhere Kredite gehört seit 1945 zum guten Regieren, es hat auch zum Wohlstandszuwachs in diesen Jahrzehnten beigetragen. Aber in den Jahren vor der Finanzkrise, und mittlerweile wieder, mit China als neuem Risikofaktor, hat die private wie die öffentliche Verschuldung monströse Dimensionen angenommen. Um den bösen Geist wieder in die Flasche zu bekommen, ist unter anderem die Schuldenbremse eingeführt worden. Deutschland gehörte nicht zu den Ländern, welche die Krise verursachten, und so sollte es bleiben.

Dramatisch klingende Ideen

Das sollte man nun nicht, weil möglicherweise eine kleinere Rezession vor der Tür steht, hektisch aufgeben. Die Forderungen, der Staat müsse angesichts nachlassenden Wachstums mehr investieren,  sind zwar nicht falsch. Die Frage ist aber, in welchem Umfang. Genügt vielleicht der Spielraum der Schuldenbremse? Oder brauchen wir einen großen kreditfinanzierten Investitionsfonds, wie die Grünen ihn zuletzt forderten? Ein arbeitgebernaher Ökonom schlug gar einen 450-Milliarden-Topf vor. Solche Mega-Ideen klingen dramatisch.

Aber das Bereitstellen von Geld aus Schuldenaufnahme ist noch keine Investition. In den vergangenen Jahren sind Milliarden an Fördermitteln nicht abgeflossen, konnten Milliardensummen für Investitionen immer wieder gar nicht ausgegeben werden, weil Planer fehlten, weil eine brummende Wirtschaft gar nicht genügend Kapazitäten aufbrachte. So liegt noch viel Geld herum bei Bund und Ländern.

Im Übrigen ist die Schuldenbremse auch eine Steuersenkungsbremse. Geringere Steuern kann man durch Ausgabenkürzungen finanzieren - oder eben durch neue Schulden. In den USA werden gern mal Entlastungen für Wohlhabende und Unternehmen so finanziert. Die einst grundsolide Großmacht ist auch dadurch zu einem weltpolitischen Trampel geworden, dessen riesige Schuldenlast zu einem globalen Stabilitätsrisiko wurde.

Staat tilgt seine Schulden meist nicht

Wer massiv neue Schulden fordert und das mit den billigen Zinsen begründet, unterschlägt zudem eines: Der Staat tilgt in aller Regel Schulden nicht, sondern lässt sie zum großen Teil stehen. Das bedeutet, dass beständig alte Schulden durch neue Kredite abgelöst werden müssen. Irgendwann aber werden die Zinsen wieder höher liegen, die Deutschland seinen Gläubigern bieten muss. Die Nullzinsphase wird nicht ewig dauern. Das billige Verschulden heute wird eine teurere Finanzierung später nach sich ziehen. Also sollte man vorsichtig bleiben.

Die Schuldenbremse ist ein Disziplinierungsinstrument für Regierung wie Parlament. Sie nutzt den Bürgern, weil sie die politisch Verantwortlichen dazu bringt, das Geldausgeben mit mehr Bedacht zu betreiben, als es ohne diesen Zügel der Fall wäre. Was soll daran schlecht sein? Es wäre daher fatal, die Schuldenbremse abzuschaffen. Ob sie lockerer gestaltet werden muss, darüber kann man diskutieren. Üblicherweise tut man das aber auf der Basis von Erfahrungen. Und nicht mittels Profilierungsthesen, zu denen gern das Mittel der Aufregung gehört.

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