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Politik: Djerba: Terroristen am Apparat

Innenminister Otto Schily (SPD) hatte offenbar allen Grund, bei der tödlichen Explosion auf Djerba von einem Attentat auszugehen - beharrlich gegen die bisherige offizielle Version der tunesischen Regierung. Und derzeit deutet manches darauf hin, dass die Spur für dieses Attentat zum islamistischen Terrornetzwerk des Topterroristen Osama bin Laden führt.

Innenminister Otto Schily (SPD) hatte offenbar allen Grund, bei der tödlichen Explosion auf Djerba von einem Attentat auszugehen - beharrlich gegen die bisherige offizielle Version der tunesischen Regierung. Und derzeit deutet manches darauf hin, dass die Spur für dieses Attentat zum islamistischen Terrornetzwerk des Topterroristen Osama bin Laden führt. Und dabei einmal mehr nach Deutschland.

Noch kurz vor dem mutmaßlichen Attentat hat offenbar der Fahrer oder Beifahrer des an der Synagoge explodierten Fahrzeugs ein Telefongespräch geführt - nach Deutschland. "Ich wünsche deinen Segen", soll er gesagt haben. Nach Informationen des Magazins "Stern" rechnen die deutschen Terrorismusexperten diesen Kontaktmann in Deutschland dem Al-Qaida-Netzwerk bin Ladens zu. Zum Thema Fotostrecke: Djerba und die Folgen Nachdem das Bundeskriminalamt und die Bundesanwaltschaft diese Informationen erhalten hatten, zog Generalbundesanwalt Kay Nehm die Ermittlungen an sich. Das Bundeskriminalamt durchsuchte in Haan bei Düsseldorf, Duisburg und Mühlheim fünf Gebäude. Noch am Montagnachmittag wurde im Duisburger Stadtteil Hüttenheim der vermutete Kontaktmann festgenommen. Jener ist offenbar deutscher Staatsbürger, genauere Informationen wollte die Bundesanwaltschaft am Dienstag nicht bekannt geben. Es hieß gestern jedoch, es handele sich um einen zum Islam konvertierten Deutschen. Der Verdächtige wurde am Dienstagnachmittag verhört und anschließend wieder auf freien Fuß gesetzt. Bei der Vernehmung habe sich kein dringender Tatverdacht ergeben, teilte die Bundesanwaltschaft mit.

Die Spur nach Deutschland ist nur ein Anlass, einen Anschlag aus dem Netzwerk bin Ladens zu vermuten. Nach Berichten zweier in London erscheinender arabischer Zeitungen - "El Kuds el Arabi" und "El Hajat" - gibt es jetzt Bekennerschreiben. Nach diesen Berichten hat sich eine Gruppe mit dem Namen "Islamische Armee für die Befreiung der Heiligen Stätten" zu dem Anschlag bekannt. Eine Organisation gleichen Namens hat auch für die Anschläge auf die US-Botschaften in Kenia und Tansania im Sommer 1998 die Verantwortung übernommen. Diese Anschläge werden mit der Al Qaida in Verbindung gebracht. Die Bekennerschreiben seien in Pakistan eingegangen und auf dem Briefpapier der Al Qaida verfasst, hieß es.

Im Bekennerschreiben wird als Täter der Tunesier "Nizar Ben Mohammed Nawwar Saif el Islam" genannt. Der Anschlag sei "eine Antwort auf die israelischen Verbrechen gegen die Söhne des palästinensischen Volkes im Westjordanland und im Gazastreifen". Der Täter habe seine Eltern und seine Geschwister aufgefordert zu sagen, er sei nicht getötet worden, sondern als Märtyrer gestorben.

Inzwischen hält offenbar auch die tunesische Regierung nicht mehr an der Version eines Unfalls fest. Die französische Zeitung "Libération" berichtete am Dienstag, Präsident Zine Abidine Ben Ali habe die Regierungen von Frankreich und Deutschland darüber informiert, dass es sich um einen Anschlag handeln könnte. Das Auswärtige Amt verwies zwar darauf, dass der tunesische Staatspräsident den deutschen Botschafter in Tunis empfangen habe, doch über den Inhalt des Gesprächs könne man nichts sagen.

Bislang hat das Auswärtige Amt in Berlin auch noch keine verschärfte Warnung vor Reisen nach Tunesien ausgesprochen. Man warte die Ermittlungen des Bundeskriminalamts und der Bundesanwaltschaft ab. Erst wenn weitere Ermittlungsergebnisse vorlägen und die Sachlage besser einzuschätzen sei, könne sich an der Sicherheitseinschätzung für Touristen möglicherweise etwas ändern.

Unterdessen wurde die Leiche des Mannes identifiziert, der den vor der Synagoge explodierten Lastwagen gefahren hatte. Es handelt sich nach Informationen der tunesischen Behörden um einen Mann, der mit seiner Familie im französischen Lyon gelebt habe. Über seine Nationalität wurde nichts bekannt gegeben.

Ahnungslos

(babs) Zunächst war es eher ein Zufallsfund. Am 16. September 1998 wurde der Vertraute von Osama bin Laden, Salim, in der Nähe von München verhaftet. Ein Rechtshilfeersuchen der USA hatte die deutschen Fahnder veranlasst, den vermutlichen Finanzchef der Al Qaida festzusetzen. Bis dahin schienen die Behörden eher ahnungslos über Verbindungen des Top-Terroristen nach Deutschland.

Die Festnahme Salims setzte Ermittlungen auch hierzulande in Gang. Die Sicherheitsbehörden schauten sich die islamistische Szene genauer an, auch das Milieu der Organisierten Kriminalität wurde unter diesem neuen Aspekt betrachtet. Zahlreiche Verbindungen wurden seitdem aufgedeckt. Doch in der Einschätzung, wie die islamistischen Strukturen mit bin Laden verknüpft sind, legt man sich noch immer nicht fest. Die in Frankfurt vor Gericht stehenden Islamisten gehören zu den "Non-Aligned Mudjahedin", einer eher lose angebundenen Struktur. Die Hamburger Terrorpiloten indes werden bin Laden direkt zugerechnet.

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