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Dmitri Peskow: "Unsere politische Landschaft formiert sich erst“

Kreml-Sprecher Dmitri Peskow verteidigt Vorteile für Regierungspartei und sieht Teile der Opposition in Terrornähe.

Herr Peskow, die heutigen Wahlen finden unter sehr anderen Bedingungen statt als die letzten. Parteilose Kandidaten wurden gesperrt, Parteien mussten mindestens 50 000 Mitglieder und Büros in der Hälfte aller Regionen nachweisen. Warum?

Um ein arbeitsfähiges Parlament zu erzielen, in dem nicht Dutzende von Kleinstparteien vertreten sind, sondern repräsentative politische Kräfte. Eine Partei mit weniger als 50 000 Mitgliedern und geringer geographischer Präsenz kann in einem Riesenland mit 140 Millionen Einwohnern keine Interessen vertreten.

Zusätzlich wurde die Sperrklausel auf sieben Prozent erhöht. Die Regierungspartei Einiges Russland könnte die einzige sein, die diese Hürde nimmt.

Wenn das der Fall ist, fällt die Hürde. Das Wahlgesetz verhindert die Entstehung eines Einparteienparlaments. Aber eine zu starke Segmentierung der Parteienlandschaft nutzt keinem Land – sehen Sie sich die Situation in Belgien an.

Die liberalen Oppositionsparteien werden in der neuen Duma voraussichtlich fehlen.

Die Parteien Jabloko und Union der rechten Kräfte waren einmal sehr populäre und vielversprechende Bewegungen. Leider haben die persönlichen Eitelkeiten ihrer Führer sie davon abgehalten, gemeinsam anzutreten. Deshalb haben sie real keine Chance. Natürlich ist es für Russland ein Problem, dass diese liberale Flanke fehlt. Aber vergessen Sie nicht, dass unsere politische Landschaft sich erst formiert. Dieser Prozess wird noch lange dauern.

Wie begründen Sie das harte Vorgehen der Behörden gegen Garri Kasparow?

Kasparow hat sich mit Eduard Limonows Nationalbolschewiken verbündet, deren Aktionen an Terrorismus grenzen. Bei den Kundgebungen wurden junge Menschen bezahlt, um Zusammenstöße mit der Polizei zu provozieren. Ich betrachte das nicht als konstruktive Opposition.

Bei seinem letzten Treffen mit Angela Merkel beteuerte Wladimir Putin, dass bei den bevorstehenden Machtwechseln die Verfassung nicht nur dem Buchstaben, sondern auch dem Geiste nach eingehalten werde. Was genau bedeutet das?

Verschiedene gesellschaftliche Gruppierungen haben Putin in letzter Zeit immer wieder aufgefordert, für eine dritte Amtszeit zu kandidieren – was der Verfassung widerspräche. Der Präsident ist jedoch der Ansicht, dass die Verfassung nicht zum Nutzen einer Einzelperson geändert werden darf. Deshalb finden jetzt wie geplant Parlaments- und Präsidentschaftswahlen statt, und im Mai wird in Russland ein neuer Präsident inauguriert.

Putin tritt heute als Spitzenkandidat der Partei Einiges Russland an. Manche vermuten, er wolle Premierminister werden und das Amt mit der Machtfülle ausstatten, die eigentlich dem Präsidenten zusteht.

Putins Nachfolger wird die gesamte Machtfülle übernehmen, die dem Präsidenten gemäß Verfassung zusteht.

Und was wird dann aus Putin?

Putin ist jung, er hat Energie, er verfügt über große Erfahrung in der Staatsführung und massiven Rückhalt in der Bevölkerung. Es liegt auf der Hand, dass er weiter Einfluss auf das politische Leben nehmen wird. In welcher Form, wissen wir noch nicht. Aber es wird in Übereinstimmung mit der Gesetzgebung geschehen.

Bis zu den Präsidentschaftswahlen bleiben nur drei Monate. Warum wurde noch kein aussichtsreicher Kandidat aufgestellt?

Einige Regierungsmitglieder genießen das Vertrauen der Bevölkerung, und es ist anzunehmen, dass einer von ihnen kandidiert. Auch Vertreter der Opposition werden antreten. Wer kandidiert, wird gute Ideen bieten müssen, und anzunehmen ist, dass die Wähler derzeit vor allem interessiert, wie sich Putins Kurs fortsetzen lässt. Der Grund ist simpel: Als Putin Präsident wurde, drohte Russland der territoriale Zerfall, die Außenschulden waren massiv, Millionen von Menschen bekamen monatelang ihre Gehälter und Renten nicht ausgezahlt, Russland hatte international keine Stimme. Das alles hat sich geändert. Die Menschen sind wieder stolz auf ihren Pass. Die Einnahmen der Bevölkerung steigen, die medizinische Versorgung verbessert sich, die Industrie wächst. Deshalb halten wir es für wichtig, dass der nächste Präsident Putins Kurs fortsetzt.

Dmitri Peskow ist Wladimir Putins erster Vizesprecher und im Kreml zuständig für die öffentliche Meinung im Ausland. Mit dem 40-Jährigen sprach Jens Mühling.

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