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Politik: Dobermann beißt zu

Von Paul Kreiner, Wien Das Sonnwendfeuer loderte, eine mystisch gestimmte rechte Runde raunte von den alten Kelten und Germanen – und der FPÖ-Politiker Ewald Stadler als ein bei solchen Anlässen bewährter Festredner glaubte es den „Tugendterroristen der political correctness“ mal wieder zeigen zu müssen. Den „gnadenlosen Gutmenschen, die heute Wehrmachtsausstellungen veranstalten“ beschied er, sie hätten Österreich ein völlig falsches Befreiungsbild „übergestülpt": „1945 – das ist zur Staatsideologie geworden – sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden, und in die nächste Tyrannei geraten.

Von Paul Kreiner, Wien

Das Sonnwendfeuer loderte, eine mystisch gestimmte rechte Runde raunte von den alten Kelten und Germanen – und der FPÖ-Politiker Ewald Stadler als ein bei solchen Anlässen bewährter Festredner glaubte es den „Tugendterroristen der political correctness“ mal wieder zeigen zu müssen. Den „gnadenlosen Gutmenschen, die heute Wehrmachtsausstellungen veranstalten“ beschied er, sie hätten Österreich ein völlig falsches Befreiungsbild „übergestülpt": „1945 – das ist zur Staatsideologie geworden – sind wir angeblich vom Faschismus und von der Tyrannei befreit worden, und in die nächste Tyrannei geraten.“

Der Aufschrei war groß. Stadlers Satz wurde, trotz schiefer Konstruktion, verstanden: Die Nazi-Herrschaft war für Stadler „angeblich“ eine Tyrannei; die zehnjährige Besatzungszeit danach eine richtige. Bis hinauf zum Bundespräsidenten registrierte das politische Österreich, dass Stadler den „Grundkonsens“ des Staates nicht mittragen will. Dieser besteht darin, dass Österreichs Zweite Republik aus der Befreiung von der Nazi-Herrschaft entstanden ist.

Stadler, 41 Jahre alt, hat eine lange FPÖ-Karriere hinter sich. Er führte die Fraktion im Parlament. Seine rhetorisch brillanten Attacken waren gefürchtet, man nannte ihn den „Dobermann". Zur Beteiligung an einer Regierungskoalition hätte Stadler nicht getaugt. Haider schickte ihn aus der Bundes- in die Landespolitik nach Niederösterreich. Schließlich wurde Stadler einer von drei „Volksanwälten“ und erhielt damit die rechtlich unabhängige, sehr angesehene Stelle eines Ombudsmannes.

Eine Wiener Linguistin bescheinigt Stadler, „sprachlich meisterhaft an der Grenze des Nazi-Verbotsgesetzes zu agieren“ und dennoch seinen Anhängern zu signalisieren, wo seine Sympathien liegen. Stadler hat bei seiner Rede in der Tat auch vom „Volkserhalt durch gesunde, kinderreiche Familien“ gesprochen, von der „Wehrbereitschaft“ auch und dass man „die Werte, die unseren Vorvätern heilig waren, und die unserem Volk das Überleben über tausend Jahre gesichert haben, heute mit Füßen tritt.“ Und in die Linie von NS-Herrschaft und Besatzungszeit hat Stadler auch noch den EU-Beitritt Österreichs 1995 aufgenommen.

Später bemühte sich Stadler, seine Rede zu rechtfertigen. Er verwies auf die hohe Zahl von Vergewaltigungen in Österreichs sowjetischer Besatzungszone. Die Diskussion geriet auf die von Stadler angesteuerten Gleise: Wer war schlimmer – Nazis oder Russen? Gegenüber Bundespräsident Thomas Klestil, der ihn ermahnte, blieb Stadler bei seiner Auffassung und war nur bereit, die Naziherrschaft als „singulären Tiefpunkt der Geschichte“ zu bezeichnen. Die Kritik von Parteichefin Susanne Riess-Passer, Stadlers Geschichtsbild sei „absolut falsch“, ließ ihn kalt – er wusste sich des Rückhalts von Jörg Haider sicher. Dieser sagte nur, er hätte sich „eine andere Wortwahl“ gewünscht: „Tatsache ist, dass die Freiheit nach 1945 so ausgesehen hat, dass wir wieder ein Stückerl Unfreiheit hatten.“ Dem Bundespräsidenten riet Haider: „Lernen Sie Geschichte!"

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