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Roland Jahn, Bundesbeauftragter für die Stasi-Unterlagen, im Rahmen eines dpa-Interviews.

© Jörg Carstensen/dpa

"Doktor der Stasi"?: Bundesbeauftragter Jahn fordert Zusatz für promovierte Stasi-Offiziere

Die Doktorarbeiten seien "Anleitungen zur Verletzung der Menschenrechte" gewesen, so Jahn. Der Bundesbeauftragte hält "echte Transparenz" für notwendig.

Der Bundesbeauftragte für die Stasi-Unterlagen, Roland Jahn, will erreichen, dass frühere Stasi-Offiziere mit Doktortitel diesen Titel mit dem Zusatz „Stasi“ führen müssen. Da der akademische Titel wegen des Einigungsvertrages nicht aberkannt werden kann, sollten sie wenigstens zu dem Zusatz verpflichtet werden, sagte der frühere DDR-Oppositionelle der Deutschen Presse-Agentur. „Doktor der Stasi - das wäre dann echte Transparenz.“

Die Doktorarbeiten seien Dokumente des Selbstverständnisses der DDR-Geheimpolizei gewesen. Erörtert worden sei darin zum Beispiel die Zersetzung des persönlichen Lebens von Andersdenkenden oder die Bekämpfung der politischen Opposition. „Das waren Anleitungen zur Verletzung der Menschenrechte.“ Das sei nicht akzeptabel und müsse jetzt politisch angegangen und hinterfragt werden, betonte Jahn.

Doktorarbeiten entsprechen nicht den Anforderungen der heutigen Promotionsordnung

Die meisten Titel wurden demnach an der geheimen Hochschule des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) erworben. Nach außen fungierte die Einrichtung als Juristische Hochschule Potsdam. Nach Angaben der Stasi-Unterlagen-Behörde wurden dort 174 Promotionsarbeiten von insgesamt 485 Autoren erstellt. Charakteristisch war den Angaben zufolge, dass der überwiegende Teil der Arbeiten nicht von Einzelautoren erstellt wurde. In einem Fall seien zehn Doktoranden beteiligt gewesen. Dass Arbeiten von mehreren Autoren geschrieben wurden, steht laut Behörde auch im Gegensatz zu heutigen Promotionsordnungen.

Die zentrale Bildungs- und Forschungsstätte des MfS war der Behörde zufolge ideologisch ausgerichtet. Neben Marxismus-Leninismus wurden „politisch-operative Spezialdisziplinen“ vermittelt. Hinzu kamen militärische Ausbildung und Sport. Eine Prüfung im Fach „Bearbeitung operativer Vorgänge“ wurde zur Tarnung etwa mit „System der Rechtspflege der DDR“ umetikettiert. Die Absolventen firmierten als „Diplom-Jurist“. Die hochrangigen MfS-Kader hätten den Anspruch auf Wissenschaftlichkeit erhoben.

Es gehe nicht darum, Menschen bis in alle Ewigkeit abzustempeln und zu verdammen, betonte Jahn. Wichtig sei vielmehr die Frage: Wie ist der Betroffene mit seiner Vergangenheit umgegangen? Das Unterlagen-Archiv stellt nun überlieferte Forschungsarbeiten von Hochschulabsolventen online. (dpa)

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