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Bildungsministerin Annette Schavan und Kanzlerin Angela Merkel (beide CDU).

© dpa

Doktortitel aberkannt: Merkel hat „volles Vertrauen“ in Schavan

Annette Schavan will um ihren aberkannten Doktortitel und um ihren Platz am Kabinettstisch kämpfen. Die Kanzlerin will mit ihrer Vertrauten in Ruhe reden - nach deren Rückkehr aus Afrika am Freitag.

Von Antje Sirleschtov

Die politische Zukunft von Bildungsministerin Annette Schavan (CDU) wird sich voraussichtlich erst in der kommenden Woche entscheiden. Nachdem die Universität Düsseldorf Schavan am Dienstagabend den Doktortitel aberkannt hatte, sprach ihr Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Mittwoch zwar das Vertrauen aus, kündigte allerdings Gespräche nach der Rückkehr der Ministerin von einer Reise nach Südafrika am Freitagabend an. Die Bundeskanzlerin schätze Schavans Leistungen als Ministerin außerordentlich, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert. „Sie hat volles Vertrauen in sie.“

Die Bundesregierung verstehe, dass Schavan „jetzt ihre rechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen und Klage erheben will“. Merkel sei mit Schavan „in gutem Kontakt“, nach der Rückkehr der Ministerin von ihrer Südafrika-Reise werde „über alles in Ruhe zu reden sein“. Am Rande ihres Besuchs im südafrikanischen Johannisburg bekräftigte Schavan ihr Ziel, gegen die Entscheidung der Universität vorzugehen. „Die Entscheidung der Universität Düsseldorf werde ich nicht akzeptieren und dagegen Klage einreichen“, sagte sie.

Der Rat der Philosophischen Fakultät der Uni Düsseldorf sah es als erwiesen an, dass Schavan in ihrer vor 33 Jahren verfassten Dissertation „Person und Gewissen“ Gedanken anderer Autoren nicht ausreichend gekennzeichnet und damit getäuscht habe. Der Präsident des Deutschen Hochschulverbands, Bernhard Kempen, legte der Ministerin indes den Rücktritt nahe. „Es wäre richtig, wenn Schavan als Bundesbildungsministerin zurücktreten würde“, sagte er. Er könne sich nicht vorstellen, „dass sie als Ministerin einfach so weitermachen kann“. Er verteidigte auch die Universität Düsseldorf gegen Kritik. Die Uni habe „sehr sorgfältig und außerordentlich korrekt gearbeitet“, betonte er. Rücktrittsforderungen kamen auch von Politikern der Oppositionsparteien.

Unions-Parlamentsgeschäftsführer Michael Grosse-Brömer (CDU) begrüßte hingegen Schavans Entscheidung, gegen die Aberkennung des Doktortitels zu klagen. Der Doktortitel sei auf Grundlage eines auch in der Wissenschaft umstrittenen Verfahrens nach mehr als 30 Jahren aberkannt worden, erklärte er. „Die FDP respektiert die Entscheidung, in dieser Angelegenheit den Rechtsweg zu beschreiten“, erklärte FDP-Generalsekretär Patrick Döring. Dieses Verfahren gelte es abzuwarten. SPD- Parlamentsgeschäftsführer Thomas Oppermann sagte, Schavan habe „nicht so dreist getäuscht“ wie der frühere Verteidigungsminister Theodor zu Guttenberg (CSU). „Aber geschummelt ist geschummelt.“

Der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende und hessische Ministerpräsident Volker Bouffier mahnte „Fairness“ gegenüber Schavan an. Schavan müssten „drei Tage Ruhe“ gegeben werden. Dann müsse sie selbst über ihre Zukunft entscheiden, sagte Bouffier dem Hörfunksender hr-info. Den Umgang mit Schavan nach dem Motto „Kreuzigt sie und hängt sie“ sei „unmenschlich“. Das Verfahren zur Aberkennung des Doktortitels sei „außergewöhnlich“ gewesen, sagte Bouffier. Er habe „viel Verständnis dafür“, dass Schavan rechtlich dagegen vorgehen wolle. Schavan habe sich „ganz außerordentliche Verdienste“ um die deutsche Forschungs- und Hochschullandschaft erworben.

Der Politikberater Michael Spreng hält einen raschen Rücktritt Schavan für unausweichlich. „Das Tempo der Politik ist schneller als das der Juristerei. Sie wird den politischen und medialen Druck nicht aushalten“, sagte Spreng am Mittwoch der Ulmer „Südwest Presse“. „Bei Karl-Theodor zu Guttenberg hat es zwölf Tage gedauert.“ Schavan sei in einer ersten Trotzreaktion uneinsichtig, und ihr besonderes Verhältnis zur Kanzlerin sorge dafür, dass Angela Merkel „Beißhemmung“ habe. Aber: „Der nächste Schritt wird sein, dass Frau Schavan zurücktritt, Frau Merkel das bedauert und ihr Dank und Anerkennung ausspricht.“ Aufgrund des aberkannten Doktortitels würde Schavan bei jedem Auftritt mit Wissenschaftlern oder Studenten zur Lachnummer, sagte Spreng. „Sie hat die Autorität für ihr Amt verloren. Es ist völlig aussichtslos, eine Wissenschaftsministerin im Amt zu halten, die ihren Doktortitel entzogen bekommen hat.“ (mit AFP/dpa)

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