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Eine Stadt mitten im Krieg. Die Auseinandersetzungen in und um Donezk sind zuletzt mit voller Härte weitergegangen.

© Reuters

Donezk in Trümmern: Verbrannte Erde in der Ukraine

In der Region um Donezk war für die Fußball-EM 2012 vieles erst neu hergerichtet worden. Nun liegt durch die Kämpfe zwischen ukrainischer Armee und prorussischen Separatisten das meiste wieder in Trümmern.

Von dem Flughafen ist nicht mehr viel übrig. Innerhalb von drei Jahren war der internationale Flughafen Sergej Prokowjew in Donezk aus dem Boden gestampft worden. 2012 war er fertig und hat Schätzungen zufolge zwischen 300 und 700 Millionen Euro gekostet. Seit dem 26. Mai jedoch wurde das Gelände immer wieder beschossen. Seit einer Woche krachen wieder fast stündlich Raketen auf das, was einmal Abflughalle, Terminal oder Landebahn waren.

Der zerstörte Flughafen ist symptomatisch. Wie so vieles, was zwischen 2007 und 2012 für die Fußballeuropameisterschaft im Land entstand, liegt er nun in Trümmern. Denn obwohl die internationale Diplomatie um eine Friedenslösung für die Ostukraine ringt, gehen die kriegerischen Auseinandersetzungen im Donbass mit voller Härte weiter. Zudem hört man immer wieder von Demontagen und Diebstählen durch die Separatisten, die die Region zusätzlich schädigen.

Es vergeht zudem kaum ein Tag, an dem ukrainische Lokalmedien nicht von gezielten Beutezügen der prorussischen Separatisten in der Region berichten. Bereits vor Monaten wurden die Geschäfte der deutschen Handelskette Metro geplündert. In der vergangenen Woche ist in der Hafenstadt Nikolaijew nun ein 3000-Tonnen-Industriekahn verschwunden. Die Stadt befindet sich zwar nicht in der umkämpften Region Donezk, doch Nikolaijew liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft. Die ukrainischen Behörden sind nervös. Sie glauben, dass „Spezialkräfte aus Russland“ ihr Unwesen treiben. Von professionell organisierten Banden, die zusammen mit dem Militär auf ukrainisches Gebiet gelangt sind, ist die Rede.

Fußball-Arena unter Beschuss

Auch aus der Bergarbeiterstadt Antranzyt in der Region Lugansk wird ein Coup der Rebellen gemeldet. Aus einer Kohlemine sollen in den vergangenen Wochen fast 15.000 Tonnen Kohle entwendet worden sein. Die Täter luden ihre Beute offenbar auf Lkw und fuhren über die Fernstraße M03, die von Kiew über Charkiw bis ins russische Rostow-am-Don führt. Auch diese Verbindung und eine weitere Route wurden erst 2012 im Zuge der Vorbereitungen für die Fußball-EM umgebaut und erneuert.

Ebenfalls unter Beschuss befindet sich die Donbass-Arena. Ende August 2009 wurde die Spielstätte des Fußballvereins Schachtjor Donezk mit einer großen Party eröffnet. Vereinsinhaber ist der Multimilliardär Rinat Achmetow – er will die 300 Millionen Euro für den Stadionbau aus eigener Tasche bezahlt haben. Die Einwohner der Industriestadt waren stolz auf die Arena. Um die Spielstätte herum war auch eine große Grünanlage entstanden. Dort versammelten sich die Menschen nicht nur vor den Fußballspielen, die Gegend galt als Naherholungsgebiet. „Nun sind nur noch verbrannte Erde und Zerstörung übrig“, schreibt die Tageszeitung „Segodna“. Achmetow, der auch Inhaber des Energieunternehmens DTEK ist, hat sich lange nicht mehr öffentlich geäußert. Die Separatisten haben, so die Lesart, sein Lebenswerk zerstört.

Lebensmittel, Medikamente, Ersatzteile

Die Lage der ukrainischen Streitkräfte verschlechtert sich täglich. Eine Internetzeitung veröffentlichte eine ellenlange Liste mit Produkten, die „an der Front dringend gebraucht werden“. Lebensmittel, Medikamente, Haushaltsgeräte, Ersatzteile für Lkw und andere Fahrzeuge, Kommunikationsmittel, Winterkleidung und Decken: Alles wird benötigt.

Mehrere Freiwilligen-Bataillone sollen eingekesselt sein. Die Männer des 11. Bataillons der „Kiewer Rus“ sind in Debalzewo in der Region Donezk zum Beispiel eingeschlossen. „Sollte nicht bald Unterstützung kommen, gibt es eine Katastrophe wie in Ilowaisk“, schreibt die „Ukrainska Prawda“. Das Bataillon „Kiew 12“ sitzt in der Stadt Lugansk fest, der Kommandeur Anton Schapowal sagte dem Internetportal „Lewij Bereg“, er wolle auf keinen Fall freiwillig abziehen.

Seitdem die prorussischen Separatisten wieder die Oberhand in den Städten gewonnen haben, leben die Ukrainer wieder in Angst. Die Kleinstadt Krasny Liman, die die ukrainischen Truppen im Juli befreit haben, ist an die Separatisten zurückgefallen. Seit ein paar Tagen fehlt vom Bürgermeister der Stadt jedes Lebenszeichen. Leonid Perebijnosa und sein Stellvertreter Wladimir Asarow sind womöglich von Militanten entführt worden. Die Tochter Perebijnosas gibt an, gesehen zu haben, wie beide Männer gefesselt in einen Kleintransporter geschubst wurden. Sie schreibt auf Facebook: „Bisher hat sich keiner bei uns gemeldet und Lösegeldforderungen gestellt.“

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