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Politik: DONEZK

Das ukrainische Ruhrgebiet und die graue Eminenz.

Wie schwer es ist, für die von Industrie und Bergbau geprägte Region Donbass mit ihrem Mittelpunkt Donezk zu werben, hat zuletzt die Uefa bewiesen. „Donezk liegt im Herzen der ukrainischen Kohlebergbau-Region, Heimat von vielen Abraumhalden und sozialistischen Skulpturen“, heißt es auf der Seite des Fußballverbandes. Wer kriegt da nicht Lust, sofort hinzufahren? So ist es kein Wunder, dass die 2009 erbaute Donbass-Arena, in der ein Halbfinale der Europameisterschaft ausgetragen werden wird, zu den architektonischen Fixsternen der Millionenstadt Donezk zählt.

Errichtet wurde das Stadion von Rinat Achmetow. Der reichste Ukrainer – mit einem Vermögen von 16 Milliarden Dollar laut Forbes-Liste weltweit die Nummer 39 – ist die graue Eminenz unter den ukrainischen Oligarchen und gilt als der starke Mann hinter Präsident Viktor Janukowitsch. Dessen „Partei der Regionen“ profitiert massiv von den Zuwendungen Achmetows. Der Sohn eines Bergmanns, selbst in einer tristen Stadtrandsiedlung in Donezk geboren, baute sich ein Imperium auf, nachdem sein Vorgänger im alten Stadion einem Bombenattentat zum Opfer gefallen war.

Mittlerweile beschäftigt Achmetow in seinen Betrieben 150 000 Menschen. Außer dem teilweise defizitären und deshalb staatlich subventionierten Bergbau kontrolliert er auch die metallverarbeitende Industrie und hält Beteiligungen an Finanz- und Medienkonzernen. Nicht wenige behaupten, dass zahlreiche Oligarchen nur deshalb in Fußball-Klubs investieren, weil Achmetow so gut mit seinem Dauermeister Schachtar Donezk gefahren ist.

Was der Janukowitsch-Freund von den zwischenzeitlich regierenden „Orangen“ und deren Transparenz hielt, bewies er 2005, als Achmetow zu einer Vorladung bei der Polizei einfach nicht erschien. Begründung: Er mache Urlaub. Auch sonst kursieren über den Chef-Oligarchen eigentümliche Geschichten, nach einer Niederlage soll er die Luxuskarossen „seiner“ Schachtar-Stars eigenhändig demoliert haben. So viel Emotionalität kommt im Südosten der Ukraine gut an.

Neben der Gegenwart liegt auch über der Gründungszeit von Donezk der Geruch von Schwefel und Ruß. Der Waliser John Hughes baute 1869 eine Metallfabrik, um die herum eine Siedlung und später die Stadt Donezk entstand. Nach 1945 lebten die Einwohner vergleichsweise wohlhabend, aufgrund der hohen Industriedichte war das Donezk-Becken eine Boomregion. Wie im Ruhrgebiet der Nachkriegszeit spielte der Fußball eine identitätsstiftende Rolle, Schachtar-Fans waren überwiegend Kumpel, noch heute nennen sie sich „Maulwürfe“. Ähnlich wie in Charkiw dominiert auch in Donezk noch vielerorts die russische Sprache und Kultur.

Heute präsentiert sich Donezk im Zentrum modern, der Kontrast zwischen den Glasbauten der Innenstadt und den katastrophalen Arbeitsbedingungen in den Zechen illustriert, wie schwierig der langsam einsetzende Strukturwandel noch werden wird. Zu den bekanntesten Söhnen der Stadt zählt Sergej Bubka, der beste Stabhochspringer aller Zeiten. Seine Statue, in heroischer Pose mit Stab in der Hand, ist wohl eine jener „sozialistischen Skulpturen“, deren Besuch die Uefa empfiehlt. Nik Afanasjew

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