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Protest in Kiew. Angehörige der Opposition demonstrieren auf dem Maidan-Platz für eine Annäherung der Ukraine an die EU. Foto: Alexander Demianchuk/Reuters

© REUTERS

Politik: Doppeltes Spiel

Der ukrainische Präsident Janukowitsch spricht mit EU-Vertretern – und hofft auf Putin.

Der erneute nächtliche Sturm auf den zentralen Unabhängigkeitsplatz in Kiew, den Maidan, hat die ukrainische Opposition radikalisiert. „Es kann keine Kompromisse geben“, sagte der ukrainische Oppositionsführer Vitali Klitschko am Mittwochabend. „Der einzige Weg ist der komplette Machtwechsel“, sagte der zum Politiker mutierte Box-Weltmeister. Klitschko forderte die demokratische Weltgemeinschaft dazu auf, Sanktionen gegen Staatspräsident Viktor Janukowitsch und seine engsten Mitarbeiter zu beschließen.

Vor allem Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte in den vergangen Tagen versucht, die Opposition von ihren Maximalforderungen wieder abzubringen und dabei aber gleichzeitig Klitschko als neuen ukrainischen Oppositionsführer zu etablieren. Bei Treffen zwischen der „Allianz des Nationalen Widerstandes“ mit in Kiew akkreditierten EU-Botschaftern wurde immer wieder betont, dass Janukowitsch im Januar 2010 von der damaligen Regierungschefin Julia Timoschenko organisierte, faire und freie Wahlen gewonnen hat. Die Opposition mäßigte sich danach und forderte nur noch den Rücktritt der Regierung von Mikola Asarow und vor allem ein Strafverfahren gegen Innenminister Vitali Sacharenko. Dieser wird für die brutale Räumung des Maidan-Platzes Ende November verantwortlich gemacht. Damals waren über 50 Demonstranten, vor allem Teenager, von Sonderpolizeieinheiten krankenhausreif geschlagen worden.

Ein Großaufgebot von Sicherheitskräften versuchte in der Nacht zum Mittwoch erneut, den Maidan-Platz zu räumen. Kurz nach ein Uhr wurden die Barrikaden rund um den Maidan attackiert. Während die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton nach ihrem Treffen mit Janukowitsch in einer etwas weiter vom Maidan entfernten Luxushotelsuite schlief, rückten Dutzende von Hundertschaften regulärer Polizei, Innenministeriumstruppen und erneut die gefürchtete „Berkut“-Sondereinheit zum Maidan vor. Bei Minusgraden um die zehn Grad trieben sie die letzten paar tausend Demonstranten vor sich her, ohne exzessiv Gewalt einzusetzen. Die Opposition versuchte derweil verzweifelt, via Twitter und Facebook Bürger zur Verteidigung des Maidan aufzurufen. „Kiew steht auf!“, hieß es verzweifelt auf Twitter. Etwa hundert Demonstranten versuchten derweil, eine Menschenkette um das Rathaus zu bilden. Im nahen Gewerkschaftshaus harrten derweil die drei Oppositionschefs Klitschko (Udar), Arsenij Jatseniuk (Batkiwtschina) und Oleh Tjanibok (Swoboda) aus. Kurz nach zwei in der Nacht läuteten die Mönche im Michalskloster die Alarmglocke – so wie im Mittelalter bei Überfällen feindlicher Truppen auf die Stadt. Bald eilten Geistliche auf den nächtlichen Maidan und beteten. „Morgen stehen hier eine Million“, riefen die nächtlichen Demonstranten den Sicherheitskräften zu.

In den frühen Morgenstunden zogen sich die Sicherheitskräfte indes wieder etwas zurück. Tausende Ukrainer hatten sich inzwischen erneut auf dem Maidan versammelt und begannen mit dem Barrikadenbau. „Niemand hat Gewalt gegen friedlich Protestierende angewandt, und niemand wird dies tun“, sagte Regierungschef Asarow am Morgen nach dem missglückten Sturm.

Welches Ziel Janukowitschs Machtapparat mit dem neuerlichen nächtlichen Sturm verfolgte, ist unklar. Laut ukrainischen Presseberichten hatte Russlands Präsident Wladimir Putin bei dem letzten Treffen in Sotschi von Janukowitsch die Wiederherstellung der Ordnung im Lande gefordert – und ihm dafür große Preisnachlässe bei den Erdgaslieferungen versprochen.

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