Bis gegen 20 Uhr hat Gerhard Schröder, Altkanzler und ehemaliger Ministerpräsident von Niedersachsen, zu Hause ausgeharrt, hat die Wahl gemeinsam mit der Schwiegermutter und Freunden vor dem Fernseher verfolgt. Dann, als das Pendel doch in Richtung Rot-Grün auszuschlagen scheint, kommt er ein paar Minuten nach seiner Frau Doris Schröder-Köpf zur Wahlparty der Sozialdemokraten in das Alte Rathaus in Hannovers Innenstadt, einen Steinwurf vom Landtag entfernt. Zur gleichen Zeit macht sich der SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil von seinem Interviewmarathon im Landtag in Richtung Rathaus auf. Im Vorbeischlendern sagt er, „ganz ehrlich, ich bin zufrieden, weil ich denke, dass ich alles getan habe, was ich tun konnte“. Gerhard Schröder sieht das ähnlich, Weil habe „herausragend gekämpft“, und er habe jetzt nichts zu beanstanden, sagt er. Doris Schröder-Köpf , die neben ihm steht, weiß in diesem Moment, dass ihr eigener Wahlkreis verloren gegangen ist, trotzdem wird sie über die Landesliste sicher in den Landtag einziehen. Schröder lächelt sein Kanzler-Lächeln und findet: „Bei der letzten Wahl hatte der CDU- Mann zehn Prozent Vorsprung, jetzt sind es nur noch sechs. Das ist ein persönlicher Sieg meiner Frau.“ Auf der Bühne sagt Schröder später, Weil müsse das schaffen, denn er wolle „endlich mal wieder in die Staatskanzlei gehen“. Schröder-Köpf, die Integrationsbeauftragte in einer Regierung Weil werden würde, ist im SPD-Team im Prinzip die einzig wirklich prominente Kandidatin. Kurz vor 21 Uhr, als immer noch nicht klar ist, ob es vielleicht doch zu Rot-Grün reicht, wiederholt sie das, was sie schon in der Nacht zum Sonntag in einer Kneipe in ihrem Wahlkreis gesagt hat: „Ich habe ein gutes Gefühl. Wir schaffen das.“ Es ist ein Abend mit völlig unterschiedlichen Gefühlslagen. Niemand kann sich daran erinnern, wann eine Wahl zuletzt so kurios und knapp war. Bei den Parteien und ihren Mitgliedern wechselt Jubel und Trauer, Stolz und Ernüchterung stündlich, so dicht liegen die Lager beieinander.
- Zwischen Stolz und Ernüchterung
- Wie immer begegnet Weil dem Jubel etwas unbeholfen
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