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Politik: Drängler aus Kalkül

Die SPD in NRW will, dass der Außenminister vor der Wahl zur Visa-Affäre aussagt. Aber das birgt Risiken

Von Hans Monath

Berlin - Die sozialdemokratischen Wahlkämpfer aus Nordrhein-Westfalen lassen in der Visa-Affäre nicht locker. Zwar erläutern Untersuchungsausschuss-Spezialisten der Grünen und auch manche der SPD seit Wochen, warum eine frühe Aussage Außenminister Joschka Fischers vor dem Gremium schwierig ist: Die Aufklärungsarbeit habe doch gerade erst begonnen, die politisch Verantwortlichen könnten eigentlich erst nach Ende der Beweiserhebung gehört werden. Trotzdem erhöhte NRW-Ministerpräsident Peer Steinbrück am Wochenende noch einmal den Druck auf den Minister: Fischer solle noch vor der Landtagswahl am 22. Mai aussagen, verlangte er in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Auch die NRW-Grünen hatten erst auf eine rasche Ladung gedrängt. Dann aber überzeugten die Berliner Parteifreunde die Nörgler, dass solche Postulate weder deren eigene Lage noch die des angeschlagenen Ministers verbessern könnten.

So verständlich der Wunsch der rot- grünen Wahlkämpfer aus NRW nach Entlastung sein mag, so gefährlich scheint aus Sicht Fischers und seiner Helfer eine frühe Aussage. Sowohl SPD- wie Grünen-Vertreter im Ausschuss glauben inzwischen, die Abläufe und Fehlentwicklungen in der Visa-Politik im Überblick gut zu kennen und legen Thesen dazu vor. Doch muss Fischer fürchten, sich mit einer frühen und nicht perfekt vorbereiteten Aussage angreifbar zu machen, wenn noch nicht alle Akten aufbereitet sind. Auch könnte er selbst Rücktrittsgründe liefern, wenn später auftauchende Fakten seiner ersten offiziellen Aussage widersprechen. Deshalb blocken SPD und Grüne Forderungen nach einer Ladung vor dem 22. Mai ab. Anders als der Partner hält sich die SPD aber eine Hintertür offen und argumentiert weniger apodiktisch gegen eine frühere Aussage.

Eingeräumt hat der Außenminister bislang, dass zwei Erlasse vom Herbst 1999 ein Fehler gewesen seien und er selbst zwischen 2000 und 2002 nicht schnell und umfassend genug auf Missstände reagiert habe. Daten, wann er selbst Visa-Politik gestaltet oder Fehlentwicklungen erkannt habe, hat Fischer entgegen den Behauptungen vieler Unionspolitiker bisher nicht genannt. Den Volmer-Erlass, von dem die SPD abgerückt ist, verteidigen er und die Grünen nach wie vor.

Bekannt war bislang, dass sowohl Innenminister Otto Schily (SPD) als auch Diplomaten aus dem Auswärtigen Amt und Botschaften vor den Folgen des Erlasses gewarnt hatten. Neu im Ausschuss eingegangene Akten zeigen nun, dass der Diplomatenwiderstand umfassender war und nicht nur aus Osteuropa kam. Sie zeigen auch: Viele Reaktionen der Zentrale auf die Hinweise waren harsch und arrogant. Eine solche Reaktion des Ministers persönlich, die ihn belasten würde, ist bislang aus den Akten nicht dokumentiert.

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