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Politik: Draskovic nach dem Attentat: Oppositionsführer: Serbien wird durch Antiterrorgesetz "balkanischer Irak"

Nervös lässt er die Augen durch den Raum wandern. Mit der einen Hand fährt er sich immer wieder durch das lange, schwarze Haar.

Nervös lässt er die Augen durch den Raum wandern. Mit der einen Hand fährt er sich immer wieder durch das lange, schwarze Haar. "Vuk" heisst auf serbisch soviel wie Wolf, und so nennen ihn auch seine Anhänger. Doch Vuk Draskovic, Serbiens prominentester Oppositionsführer, hat derzeit nichts vom feurigen Volkstribun. Er wirkt müde und ausgebrannt, wie er im Feriendomizil an Montenegros Küste die jüngsten Ereignisse schildert. Vor dem einfachen Reihenhaus halten Beamte der montenegrinischen Polizei Wache. "Der terroristische Staat versucht, mich zu töten", sagt Vuk Draskovic und ist für wenige Augenblicke ganz der Alte. Für ihn besteht kein Zweifel, wer ihm hartnäckig nach dem Leben trachtet: Er zählt in einem Atemzug Milosevic, dessen Frau Mira Markovic und deren ultranationalistischen Partner Seselj auf.

Vor knapp zwei Wochen hat der Oppositionsführer und Chef der Serbischen Erneuerungsbewegung (SPO) wie durch ein Wunder zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate einen Anschlagversuch knapp überlebt. Im vergangenen Herbst steuerte ein mit Kies beladener Lastwagen plötzlich auf das Fahrzeug zu, in dem Draskovic saß. Beim mysteriösen "Verkehrsunfall" starben vier Begleiter, während der SPO-Chef dem Autowrack praktisch unverletzt entstieg. "Es war mir klar, dass die Polizei von Milosevic jeden Tag bereit sein würde, das Verbrechen zu vollenden." Am 15. Juni war es dann fast soweit. Draskovic saß kurz vor Mitternacht vor dem Fernseher, als ein Unbekannter von der Terrasse aus das Feuer auf ihn eröffnete. Der SPO-Chef stellt für den Besucher die dramatischen Sekunden kurz nach. Ein erster Schuss trifft ihn an der Ohrmuschel. Vuk Draskovic wirft sich vom Sofa zu Boden, wälzt sich hinter eine Säule, lugt kurz hervor und wird nahe der Schläfe von einer zweiten Kugel gestreift. Er zeigt die acht Einschusslöcher, auf die Wände des Wohnzimmers verteilt. Die lange Narbe am Kopf ist zwar schon dabei, zu verheilen. Die Ärzte haben dem Politiker Ruhe verordnet.

Vuk Draskovic klagt über die "Kollegen" von den anderen Oppositionsparteien, die nach den Attentatsversuch sich nicht einmal nach seinem Wohlbefinden erkundigt hätten. Und er empört sich über die Gerüchte, die in Belgrad kursieren, wonach alles nur eine Inszenierung zur Steigerung der angeschlagenen Popularität des SPO-Chefs sei. Dass es an der Adriaküste, auf dem Territorium von Serbiens abtrünniger Schwesterrepublik Montenegro passieren sollte, ist für ihn kein Zufall: "Sie wollten Präsident Djukanovic beschuldigen, das Verbrechen begangen zu haben." Wird Vuk Draskovic überhaupt wieder nach Belgrad in die Politik zurückkehren? Der SPO-Chef bleibt hier merkwürdig vage. Serbien sei zu einem "balkanischen Irak" geworden, sagt er auch mit Blick auf das neue "Antiterrorgesetz". Und er verliert sich in düstere Prognosen: "Serbien stehen Monate und vielleicht Jahre des Leidens und der Tragödien bevor."

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