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Drastische Erhöhung: Alkoholsteuer soll türkische Finanzen sanieren

Die islamisch geprägte Regierung der Türkei hebt die Alkoholsteuern kräftig an – um bis zu 30 Prozent. Nicht wegen religiöser Zwänge, wie Kritiker mutmaßen, sondern wegen der Staatsfinanzen.

Kritiker sehen darin einen weiteren Beweis für religiöse Motive der Erdogan-Regierung, die von ihren Gegnern als Islamistentruppe gesehen wird. Doch die Wirklichkeit sieht etwas anders aus: Ankara ist auf der Jagd nach Steuereinnahmen. Finanzminister Mehmet Simsek erklärte, er habe schon Mehreinnahmen von knapp einer halben Milliarde Euro aus den höheren Alkoholsteuern in den Haushalt für das kommende Jahr eingestellt. Umstritten ist die Anhebung aber auch ohne islamistischen Hintergrund. Wenn der Alkohol teurer wird, freuen sich die Schwarzbrenner – und das kann gefährlich werden, wie der Tod von drei Lübecker Berufsschülern in Antalya im vergangenen Jahr gezeigt hat.

Wegen der chronischen Unfähigkeit der türkischen Finanzämter bei der Eintreibung direkter Steuern wie der Einkommenssteuer sind Regierungen in Ankara seit jeher auf die indirekten Steuern angewiesen. Das gilt nicht nur für Alkoholsteuern – auch Autos und Benzin sind in der Türkei wegen hoher Sondersteuern teilweise teurer als in Westeuropa.

Preiserhöhnungen bis zu zwölf Prozent

Bier, Wein und Schnaps in der Türkei werden nach der Steuererhöhung nun nicht ein Drittel mehr kosten, denn die angehobene Sonderverbrauchssteuer ÖTV macht nur einen Teil des Ladenpreises aus. So steigt die ÖTV etwa beim Wein von knapp unter einem Euro pro Liter auf 1,22 Euro. Finanzminister Simsek sagte, er rechne damit, dass der Verbraucher vier bis zwölf Prozent mehr zahlen müsse.

Auf die mit 30 Prozent besonders heftige Steuererhöhung beim Nationalschnaps Raki angesprochen, verwies Simsek auf die EU, die eine kräftigere Besteuerung für hochprozentige Alkoholika wolle. Auch die FDP in Deutschland richtet sich nach diesem Prinzip und denkt über 45 Prozent Steuern für einen 45prozentigen Schnaps nach.

Wachsender Alkoholkonsum im islamisch regierten Land

Vertreter der türkischen Alkoholbranche zeigten sich dennoch geschockt. Man habe sich vor Steuererhöhungen sicher gewähnt, weil der wachsende Alkoholkonsum im Land dem Staat in den vergangenen Monaten mehr Steuereinnahmen beschert habe als im Haushalt veranschlagt, sagte Galip Yorgancioglu, der Präsident des Alkoholhersteller-Verbandes GISDER. Doch offenbar sei der Alkohol zu einem Goldesel für den Fiskus geworden.

Tatsächlich widerspricht die feucht-fröhliche Entwicklung in der Türkei dem Vorwurf angeblicher Islamisierungstendenzen unter der Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan. Unter der Herrschaft des frommen Muslims Erdogan haben in den vergangenen Jahren immer mehr Türken ihren Geschmack am Alkohol gefunden. In türkischen Supermärkten gibt es seit dem - ebenfalls von Erdogan verfügten - Ende des staatlichen Alkohlmonopols mehr Auswahl an Wein und Bier als je zuvor. Und die Türken langen auch tüchtig zu. Im ersten Halbjahr dieses Jahres tranken sie 533,6 Millionen Liter alkoholische Getränke. Das Ergebnis war im europäischen Vergleich zwar bescheiden, lag aber doch um 80 Millionen Liter höher als im Vergleichszeitraum 2006.

Jetzt noch mehr gepanschten Schnaps?

Ob es klug ist, den wachsenden Durst der Türken für die Haushaltskonsolidierung zu nutzen, ist aber auch dann fraglich, wenn keine islamistischen Motive im Spiel sind. Natürlich werde die Branche die Steuererhöhungen an den Verbraucher weitergeben müssen, sagte Verbandschef Yorgancioglu. Und das sei eine willkommene Chance für Schwarzbrenner.

Mehrere Skandale um gepanschten Alkohol hatten in den vergangenen Jahren die Öffentlichkeit geschockt. Doch wenn die Preise für legalen Schnaps immer weiter steigen, dürften sich viele Leute wieder an die Schwarzbrenner wenden, warnte Yorgancioglu. Mit Blick auf den Tod der Deutschen in Antalya im vergangenen Jahr rief er die Regierung auf, das Drehen an der Steuerschraube nicht zu übertreiben: „Der Tod ausländischer Urlauber wegen schwarz gebranntem Schnaps im vergangenen Jahr hat dem Ansehen unseres Landes schwer geschadet.“

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