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Politik: Drehscheibe des Terrors

Unter Italiens Muslimen vermuten Ermittler viele Fanatiker

Italien erhebt schwere Vorwürfe gegen Abderaazak M. Der Algerier soll Freiwillige für Selbstmordanschläge im Irak angeworben haben, ein wichtiges Al-Qaida-Mitglied sein und islamistische Zellen in Deutschland, Italien, Spanien und Marokko zu einem Netz verknüpft haben. Abderrazak M., genannt „der Scheich“, war im November in Hamburg nach Hinweisen aus Italien festgenommen worden. Zuvor hatten deutsche Behörden den 30-Jährigen, der in derselben Moschee verkehrte wie Mohammed Atta, schon einmal wegen des Verdachts auf terroristische Umtriebe festgenommen, aus Mangel an Beweisen aber wieder freigelassen. Am Freitag nun ist M. an die italienischen Behörden ausgeliefert worden.

Italien selbst müssen dagegen etwa 500 Ägypter, Tunesier, Algerier und Marokkaner bald verlassen. Innenminister Giuseppe Pisanu will sie ohne Gerichtsverfahren wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“ ausweisen. Der Mailänder Staatsanwalt Stefano Dambruoso ermittelt seit Jahren in der Szene und erklärt, was damit gemeint ist: Unter Italiens Muslimen gibt es Mudschahedin, gezielt ausgebildete Kämpfer für den heiligen Krieg, bereit, unter Einsatz ihres Lebens die „Feinde Gottes“ in den Tod zu bomben. Im Blick hat die Polizei konkret 80 bis 100 Personen; mindestens fünf Selbstmordattentäter sollen direkt von Mailand aus in den Irak gereist sein. Ihre Strategie, fürchten die Ermittler, könnte sich aber jederzeit gegen Italien richten.

Verdächtige islamistische Zellen finden sich vorwiegend in und um Mailand. Radikale Imame drohen dem Westen und haben mit beunruhigender Präzision beispielsweise den Anschlag auf die italienischen Truppen im Irak am 12. November 2003 vorhergesagt. In Moscheen hat die Polizei Handbücher für den Guerillakrieg und Bombenbau sichergestellt und von möglichen Anschlägen auf die U-Bahn von Mailand und den Dom von Cremona erfahren, bei denen die Attentäter „mindestens 250 Tote“ erwarteten. Wie konkret die Pläne waren, ist unklar. Sieben Verschwörer wurden vorsichtshalber Anfang Februar verhaftet. Waffen oder Sprengstoff hat die Polizei bisher nicht gefunden. Staatsanwalt Dambruoso beruhigt das nicht: „Wer verheerende Anschläge plant, kommt an den nötigen Sprengstoff.“

Zwischen italienischen Fundamentalisten und Gleichgesinnten in Algerien oder Marokko wurden Kontakte bereits nachgewiesen. Namen, auf die die spanischen Ermittler stoßen, kommen der Polizei in Italien bekannt vor. Aus Rom sind Anti-Terror-Spezialisten nach Madrid gereist.

Eine Spur zieht sich von Spanien nach Varese in Oberitalien, wo der Imam einer militanten „Salafisten-Gruppe für Predigt und Kampf“ zugerechnet wird. Dort haben durchreisende Kontaktmänner des Madrider Hauptverdächtigen Jamal Zougam die unter Gläubigen gebotene Gastfreundschaft genossen. Die Ermittler vermuten den Aufbau einer schlagkräftigen Logistik hinter solchen Besuchen.

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