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Alexander Gauland, Vorsitzender der AfD-Bundestagsfraktion, weiß in welchen Ausschüssen seine Partei die Agenda mitbestimmen kann.

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Drei Ausschussvorsitze für die AfD: Der Titel-Zauber wirkt nur, wenn die AfD ihn nicht verspielt

Die AfD sitzt bald wichtigen Ausschüssen im Bundestag vor. Im Parlament besteht dennoch kein Grund zur Panik. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Robert Birnbaum

Die Kulturschaffenden können aufatmen – oder, um es politisch- medizinisch exakt zu sagen: Einige Kulturschaffende können aufhören zu hyperventilieren. Die Rede ist von den Unterzeichnern eines Brandbriefs, die den neuen Bundestag angefleht hatten, den Vorsitz des Kulturausschusses auf gar keinen Fall der AfD zu überlassen. Die Ausschüsse sind jetzt verteilt, den Ausschuss für Kultur leitet wie bisher die SPD. Die AfD hat ein interessanteres Portfolio gewählt: Sie stellt die Vorsitzenden im Haushalts-, Rechts- und Tourismusausschuss.

Interessant ist das schon deshalb, weil es zeigt, dass Alexander Gauland die Grenzen und Möglichkeiten des Parlaments realistischer einschätzt als der übereifrige Teil seiner Gegner. Wer wie die Brandbriefler sich davor fürchtete, dass der Kulturausschuss zum „Forum für Hetze“ werden könnte, überschätzt die Möglichkeiten eines Vorsitzenden bei Weitem.

Denn im Alltag ist er vor allem der Versammlungsleiter. Er erteilt das Wort und schüttelt Gästen die Hand. Ein Vetorecht hat er nicht, selbst in Verfahrensfragen gibt ihm die Mehrheit den Takt vor. Ein Vorsitzender, der im Saal Krawall stiftet, würde vom eigenen Ausschuss beizeiten kaltgestellt.

Ausschussvorsitzender - der Titel suggeriert Autorität

Etwas anders sieht die Sache draußen vor dem Saal aus. So ein Titel macht ja schon was her. Er suggeriert Autorität, fast etwas Staatsamtliches. Er öffnet auch Türen zu Morgenmagazinen und in Zeitungsredaktionen. Die Tagesordnung im Ausschuss kann ein Vorsitzender nicht bestimmen, die öffentliche Agenda schon eher.

Das ist der zweite Aspekt, der den Zugriff der AfD interessant werden lässt. Der Haushaltsausschuss war für sie eine reine Prestigefrage ohne inhaltliches Motiv. Das Gremium, das der Regierung beim Geldausgeben auf die Finger schaut, leitet traditionell die stärkste Oppositionsfraktion. Die anderen waren so klug, diese Tradition nicht in Frage zu stellen – nur wer selbst die Regeln achtet, auch die ungeschriebenen, kann auf Einhaltung bei anderen pochen.

Das Recht ist eine Ersatzideologie im AfD-Milieu

Als zweiten Posten konnte die AfD nur noch zwischen denen wählen, die die anderen im Zugriff nach der Fraktionsstärke übrig ließen. Aber der Rechtsausschuss ist aus Sicht der Rechtspopulisten alles andere als zweite Wahl. In ihrem Milieu spielt „das Recht“ seit Gründungszeiten die Rolle einer Ersatzideologie, auf die sich Burschenschaftler mit früheren Linken-Wählern ebenso schnell einigen können wie unzufriedene Mittelständler mit Höcke-Adepten. Wenn ein AfDler vor irgend jemand freiwillig niederkniet, dann vor einem Staatsrechtsprofessor.

Nach innen wirkt dieser Ausschussvorsitz deshalb als perfekte Selbstbestätigung. Nach außen gibt er dem Inhaber die Chance, in Debatten Duftmarken zu setzen oder Themen überhaupt erst auf die Agenda zu bringen.

Das erfordert natürlich Geschick. Der Zauber des seriösen Titels wirkt nur, wenn sein Träger ihn nicht verspielt. Aber gerade im Juristischen öffnet sich ein weites Feld. Man kann mit ernsthafter Miene viel Rabulistik unter Paragrafengläubige bringen, aber natürlich auch echte Rechtsprobleme aufspießen. Den Anderen im Parlament kann man da nur zu reichlich kühlem Fachverstand raten.

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