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Politik: Drei Ex-Pentagon-Chefs nehmen Bill Clinton in die Zange

WASHINGTON .Die inneramerikanische Kritik am NATO-Kurs in Kosovo nimmt täglich zu.

WASHINGTON .Die inneramerikanische Kritik am NATO-Kurs in Kosovo nimmt täglich zu.Jetzt haben drei ehemalige US-Verteidigungsminister in scharfen Worten ihrem Präsidenten die Gefolgschaft aufgekündigt."Die Chancen, Milosevic in die Unterwerfung zu bomben, liegen zwischen gering und null", sagte James Schlesinger, Pentagon-Chef unter den Präsidenten Nixon und Ford.Schlesinger wandte sich zusammen mit Frank Carlucci, der Ronald Reagan diente, und Harold Brown, Verteidigungsminister unter Jimmy Carter, am Dienstag abend gemeinsam an die Öffentlichkeit.

Brown rügte die NATO-Strategie: "Kriegt man Flüchtlinge nur mit Luftschlägen zurück in ihre Heimat? Ich glaube nicht.Und ethnische Säuberungen stoppt man auch nicht aus der Luft." Das Kosovo aufnahmebereit für rückkehrwillige Flüchtlinge zu machen sei überdies "als Ziel einerseits zu kleinmütig und andererseits zu schwierig".Ohne ein "Neuzeichnen von Grenzen" lasse sich der Konflikt nicht lösen.

Carlucci ging scharf mit dem Vorgehen der NATO ins Gericht."Normalerweise hat man in einem Krieg klare Ziele und verschleiert die Mittel.Das ist das kleine Einmaleins, nur diesmal ist es völlig auf den Kopf gestellt.Wir sind bei den Zielen vage, aber präzise bei der Beschränkung der Mittel." Auch Schlesinger forderte, auf den Ausschluß eines Bodenkampfes zu verzichten: "Erkläre Deinem Gegner niemals, was Du nicht tun wirst."

Zuvor hatten bereits die Ex-Außenminister und Sicherheitsberater Henry Kissinger, Brent Scowcroft und Zbigniew Brzezinski Clinton vorgeworfen, "die Risikominimierung ernster zu nehmen als das Erreichen unserer Kriegsziele".Fareed Zakaria, Chefredakteur der einflußreichen Außenpolitik-Fachzeitschrift "Foreign Affairs", warf Clinton vor, das Kriegsziel "Schmälerung des Angriffspotentials der serbischen Kriegsmaschinerie" definiere "nur das Wo unserer Angriffe, aber nicht das Warum".Das gegenwärtige, halbherzige Vorgehen ähnele der Strategie Präsident Johnsons in Vietnam, der sich einerseits festgelegt hatte, Süd-Vietnam nicht fallen zu lassen, andererseits aber nicht in Nord-Vietnam einzumarschieren.

Clintons Zurückhaltung ergibt sich nach Ansicht vieler "Falken" aus Selbstzweifeln angesichts der schwindenden Glaubwürdigkeit durch die Lewinsky-Affäre.Der Präsident hat gerade erstmals seit 19 Monaten die Fraktionschefs aus dem Kongreß und erstmals seit 17 Monaten sein eigenes Kabinett getroffen.In diesen Kriegstagen erweist sich einmal mehr, daß Amerika kein Parteienstaat ist.Das Nebeneinander der sich gegenseitig kontrollierenden Institutionen bedeutet auch, daß es so etwas wie einen Schatten-Außenminister der Republikaner oder einen verteidigungspolitischen Sprecher der Demokraten nicht gibt.Es dominiert die informelle Kakophonie vieler einzelner Stimmen.

Bei den Verlautbarungen der Regierung hat sich unterdessen die Wortwahl verschoben.Erst gab es "keine Intention", Bodentruppen zu entsenden, dann war ein "unterschriebener Friedensvertrag" die Voraussetzung hierfür, jetzt ist es ein "Umfeld, das den Einsatz gestattet".Seit zwei Tagen sagt Außenministerin Albright, ein solches Umfeld könne auch geschaffen werden.Das wäre weit weniger als das anfängliche, fast kategorische Nein zu Bodentruppen.

Ob serbische Einheiten überhaupt Widerstand leisten würden, ist unter Amerikas Sicherheitsexperten höchst umstritten.Etliche argumentieren, der Westen habe sich ohnehin längst der Möglichkeit beraubt, Milosevic einzuschüchtern, weil nicht von Anfang an mit Bodentruppen gedroht wurde.Schlesinger verlangte, jetzt mit Vorbereitungen für einen Landkrieg zu beginnen.Dies werde sechs bis zehn Wochen in Anspruch nehmen.Carlucci sagte, er schätze die Zahl nötiger Bodentruppen zur Befreiung des Kosovo geringer ein als die vom Pentagon früher genannten "mehreren Hunderttausend"."Knapp über 100 000 Soldaten reichen", sagte Carlucci.

Unterdessen hat Pentagon-Sprecher Ken Bacon der "Washington Post" vorgeworfen, die Effizienz der NATO-Schläge zu schmälern.Weil die Zeitung das serbische sowiejugoslawische Innen- und Verteidigungsministerium vorab als Ziel der Luftangriffe benannt habe, seien diese leergeräumt gewesen, als sie vor fünf Tagen zerstört wurden.Derweil hat das Pentagon den Kongreß um Sondermittel gebeten, um 300 Cruise-Missile-Raketen mit Nuklearsprengköpfen auf konventionelle Sprengköpfe umzurüsten.Die USA haben zu viele Atomwaffen, aber - nach dem Bombardement Iraks und Jugoslawiens - kaum noch konventionelle Raketen.Der Bestand der Armee ist auf unter 100 gefallen, jener der Marine auf unter 400.

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