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Zum Davonlaufen? Aus einem neuen Konzept für Mütterrenten wird wohl nichts mehr vor den Bundestagswahlen. Das will CSU-Chef Horst Seehofer zumindest mit Kanzlerin Angela Merkel so verabredet haben.

© dpa

"Dreister, schlechter Witz": Gewerkschaften attackieren CDU und CSU wegen Rente

Nur leere Versprechungen? Der DGB wirft der Regierung Untätigkeit im Kampf gegen Altersarmut vor. Besonders das Konzept für Mütterrenten steht in der Kritik - auch die FDP ist skeptisch.

Die Gewerkschaften haben der Bundesregierung vorgeworfen, nichts gegen Altersarmut zu unternehmen und stattdessen leere Wahlkampf-Versprechungen zu machen. Die Ankündigung, nach der Bundestagswahl die Mütterrenten zu verbessern und die Kosten in Höhe von 6,5 Milliarden Euro aus den Rücklagen der Rentenversicherung finanzieren zu wollen, sei „ein dreister und ausgesprochen schlechter Witz“, sagte DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach dem Tagesspiegel.

Wenn CDU und CSU es mit der notwendigen Stabilisierung der Rente wirklich ernst meinten, müssten sie „dafür sorgen, dass gesamtgesellschaftliche Leistungen, die die Rentenversicherung übernehmen soll, aus Steuermitteln gezahlt werden“. Außerdem müssten sie „den Rentenbeitrag rasch anheben und dafür sorgen, dass die Rücklagen nicht wegschmelzen wie Schnee in der Sonne.

Zuvor hatte CSU-Chef Horst Seehofer angekündigt, dass es bei den so genannten Mütterrenten in der laufenden Legislaturperiode keine Änderungen mehr geben wird. Dies sei mit Kanzlerin Angela Merkel so besprochen. Dafür mache die Union die „klare Wahlaussage“, die Mütter älterer Kinder nach einem Wahlsieg besser zu stellen. Sie sollten künftig statt einem Punkt zwei Punkte auf ihre Beitragszeiten bei der Rente für die Kindererziehung gutgeschrieben bekommen. Laut Seehofer entspräche das pro Kind etwa 330 Euro mehr an Rente im Jahr. Mütter (und wahlweise auch Väter) von Kindern, die nach 1991 geboren wurden, erhalten für ihre Erziehungsleistung schon jetzt ihre Beitragszeiten um drei Punkte aufgebessert.

Zusätzlich zur Mütterrente will die Union auch das Wahlversprechen einer Lebensleistungsrente abgeben. Demnach soll eine Rente von 850 Euro im Monat erhalten, wer mindestens 40 Jahre lang eine „Leistung für die Gesellschaft“ erbracht hat. Zählen würde dafür also nicht nur Berufstätigkeit, sondern auch Erziehungszeiten oder die Pflege von Angehörigen.

Bei der FDP stoßen die Pläne weiter auf Widerstand. Fraktionsvize Heinrich Kolb nannte es „abwegig“, eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe wie die Honorierung von Kindererziehung aus der Rentenkasse und nicht aus Haushaltsmitteln finanzieren zu wollen. Der Rentenstreit wird die Spitzen von Union und FDP auch beim Koalitionsgipfel am Donnerstag im Kanzleramt beschäftigen.

Es sei „maßlos enttäuschend“, dass die Regierung bislang „nichts gegen die drohende Altersarmut zustande gebracht“ habe, sagte die DGB-Rentenexpertin Buntenbach. Dabei stehe die Koalition „besonders in der Pflicht“,weil sie den Rentenbeitrag um 0,7 Prozentpunkte gesenkt „und damit selbst noch mehr Altersarmut provoziert“ habe. Oberste Priorität müssten die Stabilisierung des Rentenniveaus und flexible Übergänge statt der Rente mit 67 haben

Zur Sicherung künftiger Renten brauche es einen „großen Wurf“, so die Gewerkschafterin.. Entscheidend sei, dass bereits im nächsten Jahr damit begonnen werde, eine Demografie-Rücklage aufzubauen. Nach neuesten Berechnungen des Gewerkschaftsbundes, die dieser Zeitung vorliegen, ist eine solche Sicherung dann auch möglich, wenn der Beitragssatz, wie von den Regierenden gewollt, bis 2030 auf 22 Prozent begrenzt wird – und zwar unter Verzicht auf die Rente mit 67 und ohne, dass das Rentenniveau gesenkt werden muss.

Das DGB-Rentenmodell funktioniere trotz der aktuellen Beitragssatzsenkung von 19,6 auf 18,9 Prozent, betonte Buntenbach. Allerdings mussten die Gewerkschafter wegen dieser Absenkung nun nochmal neu rechnen. Das Ergebnis: Der Rentenbeitrag müsste bis 2020 jährlich um 0,3 Prozentpunkte angehoben werden – für Durchschnittsverdiener und Arbeitgeber eine Belastung von vier Euro pro Monat. Ab 2021 könnte die jährliche Demografie-Anpassung dann auf 0,2 Prozentpunkte abgeschmolzen werden. Die Reserve würde nicht nur eine Senkung des Rentenniveaus überflüssig machen, argumentieren die Gewerkschafter. Sie ließe sogar Luft für deutliche Verbesserungen, etwa bei der Erwerbsminderungsrente. Dass deren Bezieher dem Armutsrisiko am stärksten ausgesetzt sind, hatten zuletzt auch die Rentenversicherer betont.

Eine Rentenstabilisierung sei „dringend geboten“, drängt die DGB-Expertin. Inzwischen betrage die Durchschnittsrente von Männern 865 Euro, die von Frauen sei noch deutlich niedriger. Und die Erwerbsminderungsrente liege mit durchschnittlich 614 Euro bereits unter Sozialhilfeniveau. Die geplante Senkung des Rentenniveaus von heute knapp 50 auf 43 Prozent und zusätzliche Abschläge durch die Rente mit 67 seien angesichts solcher Zahlen „unverantwortlich“, so Buntenbach.

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