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Sachsens Ministerpräsident Tillich (l.) besuchte die Kranzniederlegung nur kurz, um Rechtsextremen kein Forum zu bieten.

© dapd

Dresden: Gedenken statt Agitation

Dresden erinnert an seine Zerstörung 1945, wie stets sind auch viele Rechtsextreme dabei. Mit einer kilometerlangen Menschenkette und zahlreichen Protestaktionen demonstrieren tausende Dresdner gegen den Aufmarsch von Neonazis.

Von Frank Jansen

Auf dem Dresdner Heidefriedhof ist die Atmosphäre am Sonntagvormittag angespannt, als sich der Gedenkzug für die Opfer der Bombennacht vom 13. Februar 1945 in Bewegung setzt. Rund ein Drittel der etwa 150 Teilnehmer sind dem rechtsextremen Lager zuzuordnen. Neben den Spitzen der sächsischen NPD um Holger Apfel sind Neonazis in Thor-Steinar-Kleidung darunter. Am Mahnmal legen Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), Dresdens stellvertretender Oberbürgermeister Detlef Sittel (CDU) und US-amerikanische und britische Repräsentanten Kränze nieder. Auf dem Weg zur Mauer stehen auf Stelen die Namen von Orten, die das Grauen der Nazi-Zeit und des Zweiten Weltkriegs symbolisieren: Dresden, Coventry, Leningrad, Lidice, Warschau, Rotterdam, Auschwitz und die Namen weiterer Konzentrationslager. „Angesichts tausender Opfer empfinden wir Trauer und Schmerz“, sagt Sittel in seiner kurzen Ansprache. In Richtung der Rechtsextremen schickt er hinterher: „Fanatismus und dumpfe Losungen schänden das Gedenken.“

Ein Großaufgebot der Polizei verhindert Zusammenstöße zwischen den Rechtsextremen und etwa 20 linken Gegendemonstranten. Demonstrativ verlassen Tillich und die übrigen offiziellen Vertreter die Veranstaltung nach einer Viertelstunde. Sie wollen nicht dabei sein, wenn die Rechten ihre Kränze zum Mahnmal bringen. Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, betrachtet das mit gemischten Gefühlen. Es habe einen bitteren Beigeschmack, wenn die Offiziellen die Bürger mit den Rechten alleine ließen. „Das muss künftig besser organisiert werden.“

Am Mittag bildet sich in der Dresdner Innenstadt eine Menschenkette, um für Demokratie und Völkerverständigung zu demonstrieren. 17 000 Menschen reihen sich vom Rathaus aus an Synagoge und Altmarkt vorbei bis über die Carola- und Augustusbrücke in die Neustadt aneinander. Während die Kette geschlossen wird, läuten die Glocken aller Kirchen in der Innenstadt. Sie war durch die Bombenangriffe am 13. Februar 1945 weitgehend zerstört worden. Auch Innenminister Thomas de Maizière (CDU) reiht sich in die Kette ein. Am Revers trägt er eine weiße Rose, wie viele Dresdner an diesem Gedenktag. Er fühle sich Dresden sehr verbunden, sagt der Minister, der zwischen 1999 und 2005 der sächsischen Landesregierung angehörte, zuletzt als Innenminister.

Angesichts der auch für kommenden Sonnabend geplanten Neonazimärsche – dazu werden 6000 Rechtsextreme erwartet – mahnt de Maizière deren Gegner zur Besonnenheit. Bürger sollten genehmigte Marschrouten nicht blockieren, sagt er. Auch gewaltbereite linke Gegendemonstranten werden zu Tausenden erwartet.

Die Menschen in der Kette sind teilweise tief bewegt. Eine 74-jährige Frau erinnert sich an die Bombennacht vor 66 Jahren. Sie ist mit ihrer Tochter zu der von Oberbürgermeisterin Helma Orosz (CDU) initiierten Menschenkette gekommen. Es gehe ihnen auch darum, ein Zeichen gegen den Rechtsextremismus zu setzen, sagen sie. Anders als de Maizière finden sie Blockaden dagegen legitim.

Ähnlich sieht das André Hahn, Fraktionschef der Linken im sächsischen Landtag. Er steht wenige Meter neben dem Bundesinnenminister. Weil Hahn an den Blockaden gegen die Naziaufmärsche 2010 teilgenommen haben soll, soll seine Immunität als Abgeordneter aufgehoben werden. Ungeachtet der Vorwürfe will Hahn aber auch kommende Woche an Protesten teilnehmen.

Die Polizei zählte rund 1300 Rechtsextreme, die ab 17 Uhr zu einer genehmigten Demonstration und Kundgebung mehrere Stunden aufmarschierten. Die Bereiche um den Hauptbahnhof und die Marschroute waren zuvor von Polizisten, die aus ganz Sachsen und weiteren Bundesländern kamen, weiträumig abgesperrt worden.

Augenzeugenberichten zufolge verkürzte die Polizei außerdem die Strecke der Rechtsextremen, um ein Aufeinandertreffen mit mehreren hundert linksgerichteten Demonstranten zu vermeiden, die Parolen wie „Nazis raus“ skandierten.

Die Stadt hatte zwar alle Demonstrationen in Sicht- und Hörweite des Neonazi-Aufmarsches verboten und auf die andere Elbseite in die Neustadt verlegt. Dennoch begleiteten insgesamt mehrere tausend Demonstranten den Aufmarsch lautstark mit Protestrufen. Nach Einschätzung der Polizei blieb die Lage bis zum Abend friedlich. (mit dapd)

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