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Linksextreme errichteten Barrikaden, setzten Müllcontainer in Brand und warfen mit Steinen auf Polizisten. Foto: dpa

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Politik: Dresden im Ausnahmezustand

Ausschreitungen bei Demo gegen Neonazi-Aufmarsch / Polizei geht mit Wasserwerfern vor

Von Frank Jansen

Tausende Menschen haben in Dresden am Samstag mit stundenlangen Protesten und teilweise gewaltsamen Blockaden erneut einen genehmigten Aufmarsch von Rechtsextremen verhindert. Dabei war nur ein kleiner Teil der erwarteten 4000 Neonazis nach Dresden gekommen. Nach Angaben der Dresdener Polizei gelangten zunächst nur etwa 600 Neonazis zu den ihnen zugewiesenen Versammlungsorten im Süden der Stadt. Am späten Nachmittag verlegten sie ihren Aufzug nach Rücksprache mit der Einsatzleitung der Polizei per Zug nach Leipzig. Dort trafen am Abend rund 500 Rechtsextreme ein. Da sie nach Angaben der Polizei die Stadt jedoch nicht betreten durften, saßen sie am Abend zunächst auf dem Leipziger Hauptbahnhof fest. Anschließend reisten sie ohne nennenswerte Zwischenfälle in ihre Heimatorte weiter, sagte ein Polizeisprecher. Nach seinen Angaben hatten sich vor und im Bahnhof 700 bis 800 Gegendemonstranten versammelt.

In Dresden hatten zuvor mehr als 20 000 Menschen am Samstag gegen drei geplante Neonazi-Aufmärsche demonstriert. Dabei kam es zu Ausschreitungen. Linksgerichtete Demonstranten warfen Steine auf Beamte und errichteten brennende Straßenblockaden. Die Polizei ging mit Wasserwerfern, Schlagstöcken und Reizgas gegen die gewalttätigen Demonstranten vor. Polizeikräfte wurden sowohl von Gegendemonstranten als auch von Neonazis angegriffen. Am Franz-Weißkopf-Platz wurden am Abend nach Angriffen auf die Polizei mehrere hundert Neonazis eingekesselt.

Zu den Gegenkundgebungen hatte das Aktionsbündnis „Dresden-Nazifrei“ aufgerufen. Nach übereinstimmenden Angaben des Deutschen Gewerkschaftsbundes und des Bündnisses „Dresden – Nazifrei“ beteiligten sich mehr als 21 000 Menschen an Mahnwachen und Protesten.

Gewalttätige Gegendemonstranten durchbrachen im Lauf des Tages immer wieder Polizei-Absperrungen. In mehreren Gruppen blockierten sie wichtige Kreuzungen und Straßen, um den Marsch der Neonazis vom Dresdener Hauptbahnhof zu dem etwa zwei Kilometer entfernten Versammlungsort zu verhindern. Dabei setzten Linksextreme Müllcontainer in Brand, warfen mit Steinen auf Polizisten und errichteten Barrikaden. Die Gegendemonstranten kommunizierten per Twitter und Website-Ticker, um Blockaden zu verstärken oder vor Polizeieinsätzen zu warnen.

Die Polizei setzte nach eigenen Angaben Wasserwerfer, Schlagstöcke und Reizgas ein, um ein Aufeinandertreffen der Gruppen zu verhindern. Mehrere Gegendemonstranten, die Polizisten angegriffen, kamen in Gewahrsam.

Schon in den vergangenen Tagen war die Stimmung gespannt. Polizei und Verfassungsschützer befürchteten den Auftritt tausender Rechtsextremisten und militanter Linker. „Eine außerordentlich schwierige Situation für die Polizei“ prophezeite der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Heinz Fromm, am Donnerstag im Interview des Tagesspiegels. Die Gefahr, dass Rechts- und Linksextremisten gewalttätig würden, sei „sehr hoch“. Wie zur Bestätigung kündigten Rechtsextremisten im Internet an, den geplanten Aufmarsch in Dresden gegen alle Widerstände durchsetzen zu wollen. „Rechtswidriges Verhalten gerade der Polizeiführung werden wir in diesem Jahr nicht akzeptieren und klar dagegen Stellung beziehen“, hieß es auf einer Neonazi-Website.

Die Polizei hatte im vergangenen Jahr am 13. Februar, dem Jahrestag der Bombardierung Dresdens 1945, etwa 6400 Neonazis am Bahnhof Dresden-Neustadt in Schach gehalten und darauf verzichtet, die Blockaden tausender Nazigegner auf den umliegenden Straßen zu räumen. Erstmals hatte die rechte Szene bei dem für sie wichtigsten Aufmarsch des Jahres, mit regelmäßig auch aus dem Ausland anreisenden „Kameraden“, eine schwere Niederlage hinnehmen müssen. Juristisch konnten sich die Rechtsextremen jedoch ein knappes Jahr später durchsetzen: Im Januar urteilte das Verwaltungsgericht Dresden, die Polizei hätte 2010 die Bildung der Blockaden unterbinden müssen.

Und es war das Verwaltungsgericht, das auch jetzt wieder den Bürgerrechten der Neonazis Priorität einräumte, zur Empörung von Demokraten und Linksextremen. Die Richter gaben am Freitag in einer Eilentscheidung den Beschwerden der Anmelder dreier rechtsextremer Veranstaltungen (zwei Kundgebungen und eine Demonstration) statt. Die Auflagen der städtischen Versammlungsbehörde seien „offensichtlich rechtswidrig“, monierte das Verwaltungsgericht. Es kritisierte auch, die Stadt habe das von ihr mit der Polizei erarbeitete Konzept der Trennung der Veranstaltungen von Rechtsextremen (südlich der Elbe) und Nazigegnern (nördlich des Flusses) nicht eingehalten. Der DGB und die Technische Universität hatten Proteste südlich der Elbe angemeldet, und die Stadt hatte zugestimmt. Die TU sagte ihre Versammlung jedoch am Freitag ab.

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