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Journalisten halten Poster mit Fotos von Khashoggi bei einem Protest in der Nähe des Konsulats in Istanbul.

© dpa/Lefteris Pitarakis

Update

Dschemal Kaschoggi: Türkei soll Mord an saudi-arabischem Journalisten gefilmt haben

Dschemal Kaschoggi soll im Istanbuler Konsulat seines Heimatlandes ermordet worden sein. Das zeigen offenbar Videoaufnahmen der Türkei.

Mehr als eine Woche nach dem Verschwinden des saudischen Regierungskritikers Dschemal Kaschoggi ist eine Delegation aus Saudi-Arabien in der Türkei eingetroffen. Sie habe mit den Ermittlungen in dem Fall zu tun, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Anadolu am Freitag. Über das Wochenende soll die Gruppe in Ankara türkische Behördenvertreter treffen. CNN Türk berichtete, auf der Agenda stünden Gespräche darüber, wann und wie türkische Ermittler das saudische Konsulat inspizieren könnten.

Am Donnerstagabend hatte Präsidentensprecher Ibrahim Kalin angekündigt, dass die Türkei und Saudi-Arabien im Fall des in Istanbul verschwundenen Journalisten Dschemal Kaschoggi auf Bitten Saudi-Arabiens gemeinsam ermitteln würden. Man werde den Fall „in all seinen Facetten“ in einer Arbeitsgruppe beleuchten. Türkische Polizei- und Regierungskreise gehen Medienberichten zufolge davon aus, dass Kaschoggi im saudischen Konsulat in Istanbul ermordet wurde. Saudi-Arabien weist die Vorwürfe zurück.

In der Nacht war ein höchst brisanter Bericht der „Washington Post“ erschienen, der den Verdacht gegen die saudische Staatsführung zu erhärten schien. Demnach soll die Türkei angeblich über Aufnahmen verfügen, die eine Ermordung des Journalisten im Konsulat belegen. Die türkische Regierung habe US-Vertretern über solche Aufnahmen berichtet, schrieb die US-Zeitung "Washington Post" am Donnerstag. Die Ton- und Videoaufnahmen würden zeigen, dass Kaschoggi in dem Konsulat verhört, gefoltert und ermordet worden sei. Sein Körper sei anschließend zerlegt worden. Vertreter des US-Außenministeriums waren zunächst für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

Bundesregierung fordert Aufklärung von Saudi-Arabien

Die Bundesregierung hat unterdessen die saudische Regierung nachdrücklich zur Aufklärung aufgefordert. "Dieses Verschwinden muss so schnell und so gründlich wie möglich aufgeklärt werden", sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Freitag in Berlin. "Saudi-Arabien muss sich an dieser Aufklärung in vollem Umfang beteiligen", fügte er hinzu. Die Bundesregierung sei über "das spurlose Verschwinden" Khashoggis "sehr besorgt".

Seibert nannte den Verdacht gegen Saudi-Arabien "entsetzlich". Außenamtssprecher Rainer Breuel sagte, Außenminister Heiko Maas habe den Botschafter Saudi-Arabiens in einem Gespräch Anfang der Woche um Aufklärung in dem Fall gebeten. Eigene Erkenntnisse habe das Außenministerium dazu nicht.

Eine Einstellung von Waffenlieferungen an Saudi-Arabien wollte Seibert als Reaktion auf die Affäre nicht ins Auge fassen. Rüstungsexporte würden "restriktiv" gehandhabt und nur nach "gründlicher Prüfung des Einzelfalls" genehmigt, sagte er. Daran werde sich nichts ändern. Die Bundesregierung nehme den Verdacht "ernst", er müsse jetzt geprüft werden. "Alles andere ist Spekulation".

Riad lieferte bisher keine Gegenbeweise

Türkische Ermittler hatten nach Kaschoggi Verschwinden sehr schnell den Verdacht geäußert, dass der Journalist bei einem Besuch im Konsulat seines Landes in Istanbul vergangene Woche von saudi-arabischen Agenten ermordet wurde. Riad weist die Vorwürfe zurück, ist aber den Beweis schuldig geblieben, dass der Regierungskritiker das Konsulat wieder lebend verließ. Laut Konsulat waren die Überwachungskameras im Gebäude am Tag von Kaschoggis Besuch ausgefallen.

Nach Informationen der Zeitung scheut die türkische Seite eine Veröffentlichung der Aufnahmen, um nicht zu offenbaren, wie Einrichtungen ausländischer Staaten in der Türkei ausspioniert werden. Unklar sei deshalb auch, inwiefern amerikanische Stellen das angebliche Beweismaterial bereits einsehen durften. Die türkische Regierung habe US-Regierungsvertretern aber versichert, im Besitz kompromittierender Aufnahmen zu sein, die keinen Zweifel an der Mordthese lassen.

Sollte sich die Türkei tatsächlich Aufnahmen aus dem Innern der Landesvertretung der Regionalmacht Saudi-Arabien verschafft oder diese gar selbst heimlich angefertigt haben, würde der ohnehin bereits zur Staatsaffäre ausgewachsene Fall Kaschoggi nochmals neue Dimensionen bekommen.

Von Kaschoggi fehlt seit seinem Besuch im Konsulat vor anderthalb Wochen jede Spur. Die USA, wo der Journalist im Exil lebte, und die Türkei haben von Saudi-Arabien Aufklärung gefordert. Der Fall hat weltweit für Schlagzeilen gesorgt. (AFP, dpa)

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