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Mitglieder einer Gruppe, die sich "Allah Akbar" ("Gott ist Groß") nennt, schießen in Aleppo auf einen Helikopter der syrischen Armee.

© dpa

Dschihadisten in Syrien: Türkei fasst mehr als tausend Gotteskrieger aus Westeuropa

Die türkischen Sicherheitsbehörden sollen in diesem Jahr an die 1100 Westeuropäer festgesetzt haben, die in Syrien an der Seite von Al-Qaida-Gruppen kämpfen wollten. Viele von ihnen kamen aus Deutschland.

Die türkischen Sicherheitsbehörden haben nach Medienberichten in diesem Jahr rund 1100 Westeuropäer gefasst, die über die Türkei nach Syrien reisen wollten, um dort an der Seite von Al-Qaida-Gruppen gegen die Armee von Präsident Baschar al-Assad zu kämpfen. Nach Erkenntnissen eines norwegischen Experten sind rund 200 deutsche Islamisten an der Gewalt in Syrien beteiligt.

Die Islamisten in Syrien werden immer stärker

Die Gotteskrieger seien inzwischen in ihre Heimatländer abgeschoben worden, meldeten mehrere türkische Zeitungen. Weitere 1500 Europäer seien noch in der Türkei und würden überwacht. Damit wird deutlich, dass die Islamisten in Syrien nicht nur Zulauf aus Gegenden wie Tschetschenien, Afghanistan oder der arabischen Halbinsel erhalten, sondern auch aus EU-Staaten. Der deutsch-türkische Fußballer Burak Karan, der sich Dschihadisten anschloss und kürzlich bei Kämpfen in Syrien starb, ist bei weitem kein Einzelfall.

Nach den Berichten spielt die internationale Polizeibehörde Interpol bei der Fahndung nach mutmaßlichen Gotteskriegern aus Westeuropa und dem Informationsaustausch über den Aufenthaltsort von Verdächtigen eine wichtige Rolle. Die mutmaßlichen Qaida-Kämpfer aus dem Westen stammen demnach vor allem aus Frankreich, Deutschland, Belgien und Dänemark. In Syrien erfreuten sich Gruppen wie die Nusra-Front und die ebenfalls zu Al Qaida zählende Organisation Islamischer Staat im Irak und der Levante (ISIS) eines regen Zulaufs aus Europa. Beide Gruppen haben ihren Einfluss in Nord-Syrien in den vergangenen Monaten ausbauen können.

Mit ihrer 900 Kilometer langen Landgrenze zu Syrien ist die Türkei seit dem Ausbruch der Gewalt im Nachbarland 2011 zu einem Aufmarsch- und Rückzugsgebiet für syrische Oppositionskräfte geworden. Radikal-islamische Milizien in Syrien bringen Kämpfer und Waffen über türkisches Gebiet in den Norden Syriens; einige Gruppen schaffen ihre Verwundeten zur Behandlung in türkische Krankenhäuser. In jüngster Zeit sorgten zudem Meldungen über Waffenlieferungen über die Türkei an islamische Extremisten in Syrien für Aufsehen.

Die türkische Regierung äußerte sich zunächst nicht zu den Zeitungsberichten über die Qaida-Milizionäre aus Europa. Die Meldungen kommen für Ankara aber nicht ungelegen: In jüngster Zeit hatte sich die Regierung von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, die Assads Rücktritt fordert und die syrische Opposition unterstützt, unter anderem wegen der aufgedeckten Waffenlieferungen mehrmals den Vorwurf anhören müssen, sie helfe radikal-islamischen Kräften im syrischen Bürgerkrieg. Der Hinweis auf Gotteskrieger aus EU-Ländern entlastet die Türkei nun etwas.

Norwegischer Terrorexperte kommt auf ähnliche Zahlen

Ob die türkischen Zeitungsberichte das Ausmaß der Beteiligung westeuropäischer Kämpfer an der Gewalt in Syrien korrekt widerspiegeln, ist ungewiss. Der norwegische Terrorexperte Thomas Hegghammer kam in einem Blog für die „Washington Post“ in der vergangenen Woche allerdings auf ganz ähnliche Zahlen. Die Zahl der deutschen Dschihadisten in Syrien liegt nach seinen Angaben bei 200; dieselbe Größenordnung liege bei Extremisten aus Frankreich und Großbritannien vor. Laut Hegghammer handelt es sich um „die größte Truppe ausländischer islamischer Kämpfer aus Europa in einem Konflikt der neueren Geschichte“.

Für jene EU-Länder, aus denen die islamistischen Kämpfer stammen, stellt sich nicht nur das Problem, dass Bürger ihres Landes in einem Konflikt in einem anderen Staat kämpfen. Die Europäer befürchten auch, dass etliche Gotteskrieger eines Tages mit gesammelter Kriegserfahrung in die Heimat zurückkehren und dort Gewalttaten verüben könnte. Hegghammer zufolge trifft das im Schnitt auf einen von neun Kämpfern zu – bei 200 deutschen Dschihadisten in Syrien wären das immerhin rund 22 potenzielle Gewalttäter.

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