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Kämpfer der terroristischen IS-Miliz im Irak.

© dpa

Dschihadisten in Syrien und im Irak: Die Porno-Krieger vom "Islamischen Staat"

Die IS-Terroristen stellen ihre Gewalttaten exhibitionistisch aus. Sie morden aus Lust. Den Potenz- und Allmachtsfantasien von Macho-Männern wird freier Lauf gelassen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Peter von Becker

Seit es den Horror der IS-Milizen gibt, ist wegen der Grausamkeit der Kalifatskiller auch wieder vom Bösen die Rede. Es wird dabei keineswegs theologisch diskutiert und auch nicht mehr der „Achse des Bösen“ im Sinne von George W. Bush unselig gedacht. Einen großen Teil der zivilisierten Menschheit eint einfach die Überzeugung, dass die exzessive Lust am Köpfeabschneiden, an Massenerschießungen, Kreuzigungen, Vergewaltigungen und dem Versklaven von Frauen und Mädchen nicht allein in den juristischen Kategorien von Kriegsverbrechen und Menschenrechtsverletzungen zu fassen ist.

Natürlich gibt es auch Erklärungsversuche auf der sozialen oder soziologischen Ebene: dass viele Freiwillige des IS, die etwa von Europa nach Syrien und dem Irak strömen, meist junge Männer mit persönlichen oder familiären Problemen seien, aus bildungsfernen, gewaltkriminellen Milieus stammen, irgendwie abenteuergeil und islamistisch aufgehetzt erscheinen.

Der demonstrativ ausgelebte Sadismus der IS-Brigaden

Von religiösem Fanatismus oder gar irregeleitetem Idealismus wird man freilich kaum sprechen können. Das sind Erklärungen, die bei Selbstmordattentätern die eigentlich unerklärliche Bereitschaft zur planvollen Aufopferung des eigenen (jungen) Lebens verständlicher machen sollen. Sie treffen nicht auf den demonstrativ ausgelebten Sadismus der IS-Brigaden zu. Dieser Sadismus rührt eher an die alten Vorstellungen des moralisch und anthropologisch Bösen. Jenseits sozialtherapeutischer Alltagsvernunft.

Historiker können zugleich auf die Menschheitsgeschichte als reales Theater der Grausamkeit verweisen. Timur oder Tamerlan genannt, ein islamischer Nachfolger des Dschingis Khan, eroberte um 1400 ein Reich von der Mongolei bis Anatolien und ließ in Bagdad und Damaskus Pyramiden aus zehntausenden Schädeln der massakrierten Bevölkerung errichten. Goya hat Ende des 18. Jahrhunderts im französisch-spanischen Krieg jene Szenen gezeichnet, die heute als Fotos oder Videobilder ins Netz gelangen und in den meisten Medien der freiwilligen Selbstzensur anheimfallen. Auch der technokratische Völkermord der Nazis und Stalins Terrorherrschaft geschahen nicht aseptisch, sondern bestanden aus Folter, Blut, unvorstellbarem Schmerz und organisatorisch ermöglichtem massenhaftem Sadismus. Das Reich des Bösen ist eben: das Reich des Menschenmöglichen.

Banal sind die Bösen, nicht jedoch das Böse

Ziemlich falsch wird in diesem Zusammenhang schon wieder die Formel von der „Banalität des Bösen“ zitiert. Hannah Arendt hat sie als Beobachterin des Eichmann-Prozesses in Jerusalem vor allem angesichts der dämoniefreien, trivialen Persönlichkeit des obersten Holocaust-Organisationsbeamten gebraucht, im Gegensatz zur Monstrosität seines Werks. Banal sind darum die Bösen, nicht jedoch das Böse, das Ausdruck der größtmöglichen Lebensfeindlichkeit ist,

In Dostojewskis Roman „Schuld und Sühne“ (in der neuesten Übersetzung so viel blasser: „Verbrechen und Strafe“) sagt der Mörder Raskolnikow: „Wenn es keinen Gott gibt, ist alles erlaubt.“ Das bezeichnet die absolute Bindungslosigkeit, die Freiheit der völligen Amoralität. Weil sich die Dschihadisten als Gotteskrieger verstehen, scheint ihre Devise indes zu sein: Weil es unseren Gott gibt, ist uns alles erlaubt. Das wiederum sahen auch die christlichen Kreuzritter (oder die Heilige Inquisition) ziemlich ähnlich. Aber all diese Vergleiche bezeichnen noch nicht das Besondere der unter schwarzen Fahnen und schwarzen Masken zelebrierten Mordlust.

Die Selbstmordattentäter werden mit 72 Jungfrauen sexistisch gelockt

Das ist das Stichwort. Mord aus Lust. Kürzlich hat der niederländische Schriftsteller Leon de Winter in der „FAZ“ darauf aufmerksam gemacht, dass hier vor allem den Potenz- und Allmachtsfantasien von Macho-Männern freier Lauf gelassen wird. Winter schreibt: „Moderne reguläre Armeen müssen die sexuellen und destruktiven Energien junger Männer disziplinieren und in organisierte Bahnen lenken.“ Beim IS aber werde ihre wilde Entladung legitimiert. Das ist ein knapper, doch darum nicht platter Ansatz. Plötzlich ist alles erlaubt, was Kriegsspiele und Pornografie sonst nur virtuell ermöglichen. Schon die Selbstmordattentäter werden mit 72 Jungfrauen sexistisch gelockt. Beim IS sind nun Mord, Folter, Vergewaltigung geradezu Markenzeichen. Anders als bei anderen Gewaltregimes wird nichts versteckt und verbrämt, sondern exhibitionistisch ausgestellt. Die ISler sind so die ersten „porn warriors“ des digitalen Zeitalters. Das Wort Porno übrigens stammt vom griechisch- en Schwein. Im Islam eigentlich das unreine Tier.

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