zum Hauptinhalt

Politik: Dublin und London wollen neue Eiszeit in Nordirland verhindern - Unionisten fordern erst die Waffen, dann eine Regierung

Wie ein Damoklesschwert hing die Drohung am Donnerstag über der jungen Regierung Nordirlands: Nach lediglich acht Wochen gemeinsamer Arbeit sollte die buntscheckige Ministerschar in die Wüste geschickt, das Belfaster Parlament eingemottet und die gemeinsamen Behörden mit der Republik Irland auf Eis gelegt werden. Niemand mochte tatenlos zuschauen, denn alle Beteiligten wissen nur zu genau, wie unsäglich mühsam der Weg zur Regierungsbildung am 2.

Wie ein Damoklesschwert hing die Drohung am Donnerstag über der jungen Regierung Nordirlands: Nach lediglich acht Wochen gemeinsamer Arbeit sollte die buntscheckige Ministerschar in die Wüste geschickt, das Belfaster Parlament eingemottet und die gemeinsamen Behörden mit der Republik Irland auf Eis gelegt werden. Niemand mochte tatenlos zuschauen, denn alle Beteiligten wissen nur zu genau, wie unsäglich mühsam der Weg zur Regierungsbildung am 2. Dezember gewesen war.

Während die britische Regierung schon zur Wochenmitte bereit schien, die Suspendierung der nordirischen Institutionen anzuordnen, mahnte der irische Premierminister Bertie Ahern zur Geduld. Im Gegensatz zu früheren Gepflogenheiten allerdings, als die britische und die irische Regierung sich regelmäßig in den Haaren lagen, handelt es sich diesmal um taktische Meinungsverschiedenheiten. Beiden Regierungen gemeinsam ist die Einsicht, dass die IRA jetzt die Gretchenfrage beantworten muss: Fühlt sich die illegale Untergrundorganisation an das Friedensabkommen vom Karfreitag 1998 gebunden, wonach die Entwaffnung der Paramilitärs bis zum 22. Mai 2000 abgeschlossen sein muss?

Ahern verlangt Gewissheit in dieser Frage und hat in den letzten Tagen das beträchtliche Prestige seiner Regierung in die Waagschale geworfen, um der IRA eine eindeutige Aussage abzuringen. Bislang ohne Erfolg. In Dublin vertritt man den Standpunkt, dass eine derartige Garantie die Grundlage für eine Weiterführung der nordirischen Regierung darstellen könnte. Ob die Unionisten unter Chefminister David Trimble das auch so sähen, ist zu bezweifeln; aber die Verantwortung für den Kollaps würde sich in einem solchen Szenario etwas gleichgewichtiger auf protestantische und katholische Schultern verteilen.

Es ist unverkennbar, dass die Führung der Sinn-Fein-Partei von den gegenwärtigen Entwicklungen überrascht wurde, ja, die gewieften Politiker scheinen vom Donner gerührt, dass ihnen die Früchte ihrer Überzeugungsarbeit zu diesem späten Zeitpunkt noch verweigert werden könnten. Dabei schien es im Dezember offensichtlich, dass die IRA im Zugzwang war, um Trimbles innerparteiliche Widersacher zu besänftigen. Andererseits bauten die Sinn-Fein-Politiker auf die Erfahrungen der letzten fünf Jahre: Die Entwaffnungsfrage ist noch jedesmal auf bessere Zeiten vertagt worden.

Prominente Stimmen lassen durchblicken, dass eine erzwungene Entwaffnung zur Spaltung der IRA führen würde. Freund und Feind sind sich einig, dass niemand ein Interesse haben kann, dass die gewaltbereiten Ränder zerbröseln und sich damit jeglicher Kontrolle entzögen. Doch die Unionisten machen die Grundregeln der politischen Hygiene geltend: Wie kann man ihnen zumuten, fragen sie, mit einer Partei am Kabinettstisch zu sitzen, die sich eine Privatarmee hält? Zumal diese Privatarmee sich bislang auch geweigert hat, einen bedingungslosen Gewaltverzicht abzulegen, geschweige denn, Bedauern für vergangenes Blutvergießen zu äußern?

Die Frage ist angesichts der Debatte über die Zusammensetzung der österreichischen Regierung nicht gänzlich unberechtigt. Irische Parteien zum Beispiel würden sich zurzeit wohl weigern, eine Dubliner Koalitionsregierung mit Sinn Fein zu bilden.

Eine Tatsache bleibt bei alledem unbestritten: Ohne Selbstverwaltungsbehörden sinkt die Aussicht auf tatsächliche Entwaffnung ins Bodenlose. Und die Unionisten haben bereits festgestellt, dass sie beim nächsten Mal ohne Vertrauensvorschuss vorgehen werden: Erst Waffen, dann Regierung. Nordirland blickt sterilen Zeiten entgegen.

Martin Alioth

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false