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Politik: Dunkle Kanäle

Ex-BND-Chef Hanning kommt im Bericht zur Spitzelaffäre schlecht weg – auch wenn er nicht namentlich genannt wird

Von
  • Sabine Beikler
  • Frank Jansen

Berlin – Auch wenn viele Details bekannt sind – die Freigabe weiter Teile des Schäfer-Berichts über den Umgang des BND mit Journalisten offenbart nun der Öffentlichkeit schwarz auf weiß gravierende Verstöße gegen die Pressefreiheit. Die Observation von Journalisten durch Mitarbeiter des Nachrichtendienstes von 1993 bis 2005 war „ganz überwiegend rechtswidrig“, schreibt der ehemalige Bundesrichter Gerhard Schäfer in seinem Report für das Parlamentarische Kontrollgremium. Schäfers Bericht, der im Internet unter www.bundestag.de nachzulesen ist, setzt unter den heute noch aktiven Amtsträgern und Politikern vor allem den einstigen BND-Präsidenten und jetzigen Staatssekretär im Bundesinnenministerium, August Hanning, unter Druck. Auch wenn er namentlich nicht genannt wird.

In Hannings Amtszeit beim BND wurde von 2001 bis 2005 versucht, über den Leipziger Nachrichtenhändler Uwe Müller Journalisten auszuforschen. Dabei sei der BND „tief in die Journalistenszene“ eingedrungen, moniert Schäfer. Der Einsatz Müllers, dessen Name im Bericht anonymisiert ist, habe weniger der Suche nach undichten Stellen im BND entsprochen als „einer umfassenden Aufklärung der Journalistenszene“. Ähnlich bewertet Schäfer den Kontakt des BND zu dem Reporter Erwin Decker, der sich als Informant angeboten hatte und dessen Name im Bericht ebenfalls verschlüsselt ist. Die „Ausforschung des Medienbereichs“ durch Decker „betraf zahlreiche Details der Informationsbeschaffung, Quellen und der Redaktionsarbeit anderer Journalisten oder Medienorgane“, sagt Schäfer. Die Aufklärung von Informationsabflüssen aus dem BND habe dabei „keine gewichtige Rolle“ gespielt.

Wie in vielen Passagen des Berichts wird auch im Fall Decker der Name des früheren Chefs der Abteilung Sicherheit des BND, Volker Foertsch, genannt. „Im Vordergrund stand ersichtlich das Bedürfnis Foertschs, über die Journalistenszene umfassend informiert zu sein“, heißt es in dem Bericht. Und Schäfer betont, er halte den Einsatz von Decker wie auch den von Müller „vor dem Hintergrund der verfassungsmäßig garantierten Medienfreiheit“ für rechtswidrig.

Die Bundesregierung erklärte nach Veröffentlichung des Schäfer-Berichtes, dass die im Kanzleramt vorliegenden Akten keinerlei Hinweise auf eine Information über Observationsmaßnahmen gegen Journalisten in den neunziger Jahren enthalten. Unmittelbar nach Bekanntwerden der Fälle hatte die Bundesregierung erlassen, dass künftig zur Eigensicherung keine Journalisten mehr bespitzelt oder als Quellen geführt werden dürfen.

Um den BND besser kontrollieren zu können, wird der BND-Präsident künftig für alle Aktionen, die zur Eigensicherung dienen, verantwortlich sein. Ferner müssen alle geheimdienstlichen Maßnahmen, die Eingriffe ins Privatleben mit sich bringen, schriftlich dokumentiert werden. Solche Maßnahmen müssen künftig schriftlich durch BND-Vorgesetzte beantragt und detailliert begründet werden. Das Kanzleramt muss regelmäßig über geheimdienstliche Tätigkeiten für die Eigensicherung des BND Kenntnis erhalten.

„Diese Anordnungen zeigen, dass es einige Mängel bei der Kontrolle gegeben hat“, sagte Max Stadler (FDP), stellvertretender Vorsitzender des für die Kontrolle der Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums (PKG) dem Tagesspiegel. Nach wie vor aber sei offen, warum die Kontrollen in der BND-Spitzelaffäre nicht gegriffen hätten. „Auch die Frage nach der politischen Verantwortung ist ungeklärt. Wer wusste an der BND-Spitze und im Kanzleramt davon?“, fragte Stadler. Dem Schäfer-Bericht sei zu entnehmen, dass „der BND keine richtigen Antennen für den Wert der Pressefreiheit hatte“. Stadler hält sich die Forderung nach der Einrichtung eines eigenen Untersuchungsausschusses oder eines gesonderten Bestandteiles innerhalb des bereits bestehenden BND-Untersuchungsausschusses offen. „Ich erwarte mir eine klare Aussage der Bundesregierung im Innenausschuss am kommenden Mittwoch“, sagte Stadler.

Für PKG-Mitglied Wolfgang Neskovic (Linkspartei) ist es „unbegreiflich, dass es bisher keine ausreichenden Kontrollen des BND gegeben hat“. Neskovic nannte das eine „schwere Pflichtverletzung des Kanzleramtes“. Er forderte die Einsetzung eines eigenen Untersuchungsausschusses, da in dem Schäfer-Bericht die politische Verantwortlichkeit nicht geklärt worden sei.

Grünen-Politiker Christian Ströbele erkennt zwar eine „deftige Eigenkritik“ der Bundesregierung, doch glaubt er in dem Schäfer-Bericht „gravierende Anhaltspunkte“ gefunden zu haben, „die für eine Unterrichtung des Kanzleramtes sprechen“. Um die politische Verantwortung zu klären, könne es notwendig sein, dies in einem eigenen oder im BND-Untersuchungsausschuss zu klären.

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