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Politik: Dunkle Macht im Hintergrund

Geständnisse! Tränen!

Geständnisse! Tränen! Emotionen! Man möchte dabei sein, möchte zugeben, auch gedopt zu haben, weil es so authentisch, so menschlich wirkt, wenn die Gefühle raus wollen. Aber jeder „Tatort“-Zuschauer weiß: Frühe, unerwartete Geständnisse taugen nichts. Sie sollen nur falsche Spuren legen und vom eigentlichen Strippenzieher ablenken, der dunklen Macht im Hintergrund. Einer, der dafür infrage käme, hat sich jetzt gemeldet und vor einer „Hexenjagd“ gewarnt: Rudolf Scharping.

Der ehemalige Kanzlerkandidat ist, was kaum jemand weiß, Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer. Der Verdacht mag ungeheuerlich klingen, aber er hat Substanz. War es nicht Scharping, der 1994 bei einer ungeheuerlichen Aufholjagd in der letzten Etappe den Sieg der Tour de Sozis erringen konnte, und das gegen den Träger des Gelben Trikots, Gerhard Schröder, und die antrittsstarke Außenseiterin Heidemarie Wieczorek-Zeul? Schien er nicht von einer Woge der Mitgliederbegeisterung über den „Berg der Wahrheit“, den Col du Parteitag getragen zu werden? Als Sieger der wenig bedeutenden Rheinland-Pfalz-Rundfahrt war er nur krasser Außenseiter, und doch … Mit dem heutigen Wissen wird man sagen müssen: Ohne Doping ging das nicht.

Doch es hat ihm wenig geholfen. Erst unterlag er Helmut Kohl vom Team CDU beim Rennklassiker „Rund um das Kanzleramt“, im Folgejahr nahm ihm sein früherer Wasserträger im Troika-Rennstall, Oskar Lafontaine, den schon greifbar nahen Tour-Sieg wieder ab. Wir müssen heute argwöhnen, dass auch Lafontaine bei diesem Kraftakt aus dem Nichts gedopt war, vermutlich mit Nato-Pazifizin, jenem schwer nachweisbaren Mittel, das später möglicherweise auch Gerhard Schröder zu seinem zweiten Kanzleramtssieg trug.

Scharping, offenbar wieder sauber, fiel 1996 sang- und klanglos vom Rad. Später als Verteidigungsminister lieferte er noch eine Probe seiner legendären Konstitution: Er hielt sich beim Baden in der Öffentlichkeit mit seiner späteren Frau minutenlang über Wasser; paradoxerweise besiegelte aber gerade dieser demonstrative Kraftakt seine Karriere endgültig.

Wie auch immer: Konsequenzen für die Politik scheinen unvermeidlich. Künftig werden die Teilnehmer jeder Elefantenrunde nach der Wahl zum Wasserlassen antreten müssen. Und ins ARD-Wahlstudio wird auf jeden Fall Hajo Seppelt zugeschaltet.

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