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In Heidenau kam es wiederholt zu Angriffen.

© epd

Dunkles Deutschland: Die rassistische Schande muss endlich eingedämmt werden

Der Rassismus in Deutschland hat eine neue Dimension. Trotzdem mangelt es an einer weitsichtigen, länderübergreifenden Strategie. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Frank Jansen

Es ist eine Schande. Wieder gehen Unterkünfte für Migranten in Flammen auf. Als wären die Brandanschläge von Mölln und Solingen vergessen und acht tote Türkinnen mehr als 20 Jahre nach den Taten keine Mahnung mehr. Dass bislang keine Flüchtlinge starben, ist wohl, so makaber es klingt, ein glücklicher Zufall. Der Hass auf „Ausländer“ ist jetzt nicht weniger bedrohlich als Anfang der 1990er Jahre. Die Gefahr scheint sogar noch größer, vielschichtiger und heimtückischer zu sein.

Über das Internet, vor allem über soziale Netzwerke wie Facebook, wird menschenfeindliche Hetze heute erheblich schneller, breiter und oft ohne jede Hemmung verbreitet. Von Extremisten, aber auch von „normalen“ Bürgern. So werden Brandstifter animiert und Straßenproteste angestachelt, bis hin zur Eskalation wie bei den pogromartigen Krawallen in Heidenau. Die Schande des Rassismus hat eine neue Dimension.

Haben das die 17 Regierungen in der Republik begriffen? Die Signale sind zwiespältig. Ministerpräsidenten aus den neuen Ländern wehren sich gegen den Vorwurf, der Osten sei stärker belastet. Doch die Debatte ist überflüssig, die Fakten sind eindeutig. Seit der Wiedervereinigung meldet die Polizei Jahr für Jahr aus Ostdeutschland überproportional viele rechte, vor allem rassistische Straftaten.

Eine Stiftung fehlt

Und die NPD erzielt trotz – oder gerade wegen – ihrer Nazi-Nostalgie deutlich bessere Wahlresultate in den neuen Ländern. Auch das Phänomen Pegida ist vornehmlich ein ostdeutsches, insbesondere sächsisches. Und einen braunen Fußballverein wie den FC Ostelbien Dornburg gibt es im Westen offenkundig nicht. Das sind Indikatoren, die Regierungen und demokratische Parteien im Osten zu mehr als punktueller Gegenwehr und Prävention anregen müssten. Andererseits steht der Westen keineswegs so viel besser da, wie 40 Jahre Demokratievorsprung vermuten ließen.

Nur zur Erinnerung: Bei der Aufklärung von neun Morden und zwei Sprengstoffanschlägen, die der NSU in den alten Ländern verübt hat, sind westdeutsche Behörden gescheitert. Der bei den meisten Taten naheliegende Verdacht auf einen rassistischen Hintergrund wurde oft ausgeblendet. Und heute noch wird bei manchen einschlägigen Verbrechen ein rechter Hintergrund geleugnet.

Nordrhein-Westfalen beispielsweise weigert sich beharrlich, den von einem Neonazi im Jahr 2003 begangenen Mord an einem Anwalt, dessen Frau und der Tochter als rechtes Tötungsdelikt einzustufen. Obwohl das Landgericht Köln dem Täter ein nationalsozialistisches Motiv bescheinigt hat. In Brandenburg und Sachsen-Anhalt hingegen haben Innenminister dafür gesorgt, dass umstrittene Altfälle noch mal geprüft wurden. Die Länder meldeten dann zwölf Tötungsdelikte als rechts motiviert nach. Ein Vorbild für die Republik.

Es mangelt allerdings hüben wie drüben an einer weitsichtigen, länderübergreifenden Strategie gegen Rechtsextremismus und Rassismus. Der Versuch, die NPD verbieten zu lassen, ist angesichts ihrer hochkochenden Hetze gegen Flüchtlinge jetzt wohl besser zu begründen, aber doch zu wenig. Es fehlt eine Bundesstiftung, die den vielen Initiativen gegen rechts eine dauerhafte Perspektive böte. Und dringend nötig wäre eine Bildungsoffensive, eine bundesweite Verankerung des Themas Extremismus im Schulunterricht. Damit die rassistische Schande endlich eingedämmt wird. In Ost und West.

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