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Politik: E-Mail um Mitternacht

Und eine deutliche Kanzlerdrohung am Morgen. Am Ende stimmen im SPD-Vorstand vier gegen die Reformpläne Schröders

Von Hans Monath

Von Markus Feldenkirchen

und Hans Monath

Am Ende der Schlacht nahm sich der Kanzler sogar die Freiheit, seine innerparteilichen Gegner für ihre Widerspenstigkeit zu preisen: „Ich bin ja auch ganz stolz darauf, dass diese Partei es einem nicht ganz einfach macht“, lobte Gerhard Schröder am Montagnachmittag vor der Presse im Willy-Brandt- Haus die eigenen Peiniger. Nach vierstündiger Sitzung von Parteivorstand und Fraktionsführung deutete der SPD-Chef die breite Unterstützung des Gremiums für die „Agenda 2010“ als wichtiges Signal.

Obwohl acht von 36 anwesenden Vorstandsmitgliedern dem Konzept des Kanzlers die Unterstützung verweigerten (vier Gegenstimmen, vier Enthaltungen), vermittelte Schröder vor der Presse den Eindruck, als habe er mit dem Votum einen Durchbruch erzielt. Allerdings hatte der Regierungschef auch in der Sitzung ganz brutal auf die Machtfrage verwiesen und die Kritiker vor die Alternative gestellt, entweder die Regierungsfähigkeit der SPD zu verspielen, oder seinen Reformplänen zum Erfolg zu verhelfen. Der Kanzler forderte auch Rücksicht auf seine Person: „Ihr müsst auch mal sehen, wo meine Grenzen liegen.“

Vor allem im Tonfall kam der Kanzler der Parteilinken diesmal entgegen. Die Opponenten registrierten positiv, dass Schröder „nicht rumgebrüllt hat, wie er es sonst gerne macht“. Auch vor der Presse bemühte sich der Parteichef, künftig gangbare Brücken zur Gegenseite möglichst intakt zu lassen. Auch viele Gegner hätten sich der „Einsicht in die Notwendigkeit“ nicht widersetzt, lobte er und versicherte: „Da sind keine Wunden entstanden, die nicht heilbar sind.“

Überrascht worden waren die Mahner sozialer Ausgewogenheit in der SPD auch davon, dass der Parteichef entgegen der allgemeinen Erwartung in dem Gremium schon am Montag abstimmen ließ. Juso-Chef Niels Annen kritisierte deshalb nach der Sitzung, mit dem Votum sei die Chance zu einer sinnvollen Diskussion geschmälert worden: „Seitdem dieser Beschluss vorliegt, sind die Regionalkonferenzen in ihrer Bedeutung deutlich abgewertet worden.“

Den Kritikern kommt der Leitantrag nur insoweit entgegen, als er fünf Arbeitsgruppen zur Konkretisierung der Reformpläne einsetzt. Dagegen führt der Entwurf ohne Abstriche die Einschnitte beim Arbeitslosen- und Krankengeld an, die von den Gegnern als sozial unausgewogen bekämpft werden. Wohl auch um der Parrteiführung keinen taktischen Vorteil zu lassen, warnte Schröder-Kritikerin Andrea Nahles nach der Sitzung, viele Konflikte seien nicht gelöst, die Debatte sei „überhaupt nicht zu Ende“.

Schröder, Fraktionschef Franz Müntefering und Generalsekretär Olaf Scholz hatten bis spät am Sonntag an der Vorlage gefeilt. Das Papier wurde den Vorstandsmitgliedern erst kurz vor Mitternacht per E-Mail zugeschickt. Neun Vorständler fehlten dann, als es zur Abstimmung kam. So hatte es Kanzler-Kritikerin Sigrid Skarpelis-Sperk offenbar vorgezogen, nach Griechenland zu reisen statt den Sozialstaat zu verteidigen, den sie ebenso wie elf andere Bundestagsabgeordnete durch die „Agenda 2010“ in Gefahr sieht. Bevor Schröder am Montag nach Bonn aufbrach, um vor 500 Funktionären aus Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und dem Saarland für die Refom zu werben, trat er noch schnell dem Eindruck entgegen, er sehe der Begegnung mit der Parteibasis mit Bangen entgegegen. „Wenn ich zu meinen Freunden und Freundinnen in der SPD gehe“, versicherte der Kanzler, „dann muss es mir nie mulmig sein.“

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