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Politik: Ecevit spricht nun doch von Rücktritt

Istanbul. Der angeschlagene türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit steht nach tagelangem Widerstand nun unmittelbar vor dem Rücktritt.

Istanbul. Der angeschlagene türkische Ministerpräsident Bülent Ecevit steht nach tagelangem Widerstand nun unmittelbar vor dem Rücktritt. Nur sechs Mandate trennten seine zerstrittene Regierungskoalition am Montagabend noch vom Verlust ihrer parlamentarischen Mehrheit, und die Welle der Austritte aus seiner Partei der Demokratischen Linken (DSP) rollt weiter.

Auch stieg der Druck innerhalb des Regierungsbündnisses, nachdem die Nationalisten den Rücktritt des parteilosen Wirtschaftsministers Kemal Dervis gefordert hatten. Wenn Dervis aus dem Amt gedrängt werde, dann führe kein Weg mehr am Rücktritt vorbei, räumte Ecevit ein. Der renommierte Wirtschaftsminister Dervis hatte bereits am vergangenen Donnerstag seinen Rücktritt eingereicht, um sich der neuen Reformpartei anzuschließen, die er zusammen mit dem zurückgetretenen Außenminister Ismail Cem aufbauen will. Staatspräsident Ahmet Necdet Sezer überredete ihn jedoch, das Rücktrittsgesuch zurückzuziehen, um eine Verunsicherung der sensiblen türkischen Märkte zu vermeiden. Die Nationalisten um Vize-Ministerpräsident Devlet Bahceli warfen Dervis daraufhin „unmoralisches“ Verhalten vor. Der Wirtschaftsminister verbleibe in einer Regierung, für deren Sturz er arbeite, erklärte die Partei. Bis zur Kabinettssitzung am Mittwoch müsse Dervis zurückgetreten sein. Ecevit, der einen Rücktritt vor einem Verlust der Parlamentsmehrheit bisher ausgeschlossen hatte, erklärte dagegen, Dervis müsse bleiben. Wenn die Nationalisten ihn zum Rücktritt zwängen, dann sehe er auch sich selbst zum Rücktritt gezwungen.

Am Montag traten wieder sechs Abgeordnete aus Ecevits DSP aus; damit verließen innerhalb einer Woche 53 von 128 Abgeordneten die Partei. Wenn die Zahl der Austritte 59 erreicht, hat die Regierung keine Mehrheit mehr. Auch für diesen Fall hat Ecevit seinen Rücktritt angekündigt. Das Parlament soll am 1. September in einer Sondersitzung über vorgezogene Neuwahlen entscheiden.

Der Bundestagsabgeordnete der Grünen, Cem Özdemir, gratulierte dem zurückgetretenen Außenminister Cem zu seiner Entscheidung. „An der Spitze einer neuen Regierung würden wir gern Sie, Herrn Dervis und Ihre Freunde sehen“, schrieben Özdemir und der Berliner Abgeordnete Özcan Mutlu dem Minister. Susanne Güsten

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