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Politik: Egon Krenz: "Ich habe ein Urteil bekommen, aber kein Recht"

Nein, das war kein schöner Ausflug für Robert Unger. Als der Berliner Rechtsanwalt im französischen Straßburg ankam, regnete es, und der Wind blies um die Häuser.

Nein, das war kein schöner Ausflug für Robert Unger. Als der Berliner Rechtsanwalt im französischen Straßburg ankam, regnete es, und der Wind blies um die Häuser. Am Donnerstagmorgen stand Unger schließlich im Gericht, blickte auf Präsident Luzius Wildhaber und lauschte dessen halbstündigem Vortrag. Danach verließ Unger "schwer enttäuscht" den Saal. Denn der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat die deutschen Urteile wegen der Mauertoten bestätigt. Damit war es nicht nur ein schwarzer Tag für Unger - sondern auch für seinen Mandanten Egon Krenz. Der frühere DDR-Staats- und Parteichef bleibt als verurteilter Totschläger in Haft. Und er hat keine Chance mehr, juristisch dagegen vorzugehen.

Zum Thema Krenz: "Ich habe ein Urteil bekommen, aber kein Recht" Dokumentation: Auszüge aus dem Pressekommunique des Gerichts Chronologie: Der lange Weg des Egon Krenz vor den Gerichten Die 17 Richter fanden es legitim, dass die bundesdeutsche Justiz "gegen Personen, die sich eines Verbrechens unter einem früheren Regime schuldig gemacht haben", strafrechtlich vorgeht. Die Schüsse an der Mauer hätten gegen DDR-Recht verstoßen, deshalb sei eine rückwirkende Verurteilung der Verantwortlichen rechtens. Vom Urteil betroffen sind neben Krenz der frühere DDR-Verteidigungsminister Heinz Keßler, dessen Stellvertreter Fritz Streletz sowie ein Grenzsoldat. Sie alle hatten Beschwerde in Straßburg eingelegt, um eine Wiederaufnahme ihrer Verfahren zu erreichen. Vergeblich.

Bei den Betroffenen saß die Enttäuschung tief. "Ich habe ein Urteil bekommen, aber kein Recht", klagte Krenz bei einem Freigang in Berlin. Trotz Hafturlaubs war er nicht nach Straßburg gereist. Ein Jahr seiner Freiheitsstrafe hat Krenz bereits im Gefängnis Plötzensee abgesessen. Mehr als zwei Jahre sind laut "Haftvollzugsplan" noch zur Vollstreckung vorgesehen, danach könnte die vorzeitige Entlassung anstehen. Kein Wunder, dass sich alte Genossen sogleich um Rückenstärkung bemühten. Der ehemalige DDR-Ministerpräsident Hans Modrow ließ verlauten, jetzt komme es darauf an, "Solidarität zum Ausdruck zu bringen".

Die deutsche Justiz gab sich hingegen erleichtert. "Die richtigen Entscheidungen deutscher Gerichte sind bestätigt worden", hieß es aus dem Bundesjustizministerium. Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (CDU), gleichzeitig Justizsenator, sprach von "Genugtuung". Ähnlich äußerte sich der Berliner Oberstaatsanwalt Bernhard Jahntz, der nach Straßburg gereist war.

Auch Bürgerrechtler und Angehörige von Maueropfern begrüßten das Urteil. Die Bundesbeauftragte für Stasi-Unterlagen, Marianne Birthler, bekräftigte, sie stehe hinter den Opfern und ihren Angehörigen. "Mit Genugtuung stelle ich fest, dass sich deren Erwartungen erfüllt haben", sagte sie dem Tagesspiegel. Die Mutter des letzten Toten, Karin Gueffroy, meinte: "Mir fällt ein Stein vom Herzen." Ihr Sohn Chris war im Februar 1989 auf der Flucht erschossen worden. Er war das letzte von fast 960 Maueropfern.

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