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Politik: Ehre, wem keine gebührt?

Den Haag will den Ruf der Soldaten von Srebrenica wiederherstellen – und löst Proteste in Bosnien aus

Von Caroline Fetscher

Berlin - „Skandalös, schändlich und beschämend“: So lautet das Urteil der Bosnierin Munira Subasic aus Srebrenica zur Ehrung 500 ehemaliger UN-Blauhelm- Soldaten in den Niederlanden. Verteidigungsminister Henk Kamp, der die Zeremonie am Montag eröffnete, will demonstrativ den Ruf dieser Soldaten wiederherstellen. Weltweit wurden sie dafür bekannt, dass sie im Sommer 1995 in Bosnien tatenlos zusahen, als bosnisch-serbische Armeeangehörige und Milizen im ostbosnischen Srebrenica ein Massaker an über 8000 Jungen und Männern der muslimischen Bevölkerung verübten.

In Bosnien stieß die Entscheidung der Niederlande auf heftige Kritik. Demonstranten sprachen vom „Genozid-Orden“ für die Männer. Gemeinsam mit weiteren Überlebenden demonstrierte Munira Subasic, Vorsitzende des Frauenverbandes von Srebrenica, in Sarajevo gegen die Auszeichnung. Dort wurde auch der niederländische Botschafter einberufen.

Kamp erklärte, mit der Verleihung von Orden an die Ehemaligen der „Dutchbat“-Einheit (Dutch Bataillon) in der damaligen UN-Schutzzone erkenne man an, „dass sie in Srebrenica einen außerordentlich schwierigen Auftrag hatten“. Zu Unrecht seien sie für das Desaster in der Enklave verantwortlich gemacht worden. Nach Assen eingeladen hatte das Ministerium 850 der ehemaligen Blauhelme, gekommen waren 500, um das Ehrenkreuz an einer orangefarbenen Schleife mit blauweißem Rand in Empfang zu nehmen.

1995 hatten die UN-Soldaten den Auftrag, über die UN-Schutzzone zu wachen. Da ihnen Unterstützung durch Luftstreitkräfte fehlte und die Unprofor-Truppen kein robustes Mandat besaßen, überließen sie die Enklave den Massenmördern, Srebrenica wurde zum Synonym für das ärgste Massaker an Zivilisten in Europa seit Ende des Zweiten Weltkriegs. Fast die Hälfte der Ehemaligen des „Dutchbat“ sollen an posttraumatischem Stresssyndrom leiden. Mehrere nahmen sich das Leben.

Im Verfahren gegen den General der bosnischen Serben Radislav Krstic am Kriegsverbrechertribunal der UN in Den Haag, der im August 2001 wegen Völkermordes verurteilt wurde, sagten mehrere Dutchbat-Soldaten als Zeugen aus. David Vaasen, Sanitäter und damals 23 Jahre alt, erklärte als Zeuge, was sich vor der UN-Basis in Potocari bei Srebrenica ereignete, wo Tausende Flüchtlinge Schutz gesucht hatten, als bosnisch-serbische Truppen eindrangen: „Totales Chaos brach aus. Sie schossen auf uns. Sie schossen auf die Muslime, die vor und hinter uns waren. Die Menge fing an zu rennen und zu schreien, und wir haben versucht, den Leuten zu helfen, aber wir mussten ja selbst weg.“ Den niederländischen Kommandeur Ton Karremans führte der Armeechef der bosnischen Serben, Ratko Mladic, öffentlich vor, indem er ihn der Presse beim Zuprosten präsentierte. Das Foto ging um die Welt. Er habe damals nicht geahnt, dass ein Massaker geplant war und kurz bevorstand, beteuerte Karremans später stets.

Nach der Veröffentlichung eines offiziellen Reports zum Fall Srebrenica war 2002 das gesamte Kabinett der Regierung Wim Kok zurückgetreten. Inzwischen scheinen die Niederlande ihr Srebrenica-Trauma politisch umformulieren zu wollen. Bei der Zeremonie in Assen wurde Karremans nun ebenfalls geehrt und durfte als Redner auftreten.

Außer nach Mladic sucht das Den Haager Tribunal seit 1995 nach dem damaligen Anführer der bosnischen Serben, Radovan Karadzic. Beide sind wegen Völkermords angeklagt. Mladic soll sich in Serbien versteckt halten, Karadzic wird in der Republika Srpska in Bosnien vermutet. Erst am Montag versprach die EU Serbien 600 Millionen Dollar Wirtschaftshilfe und den Beginn von Verhandlungen mit Brüssel, sobald das Land General Mladic an Den Haag überstellt.

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