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Jens Spahn hat als Minister das Gesundheitsministerium durcheinander gewirbelt.

© Lisa Ducret,dpa

Ehrgeizige Karrierepläne: Warum Jens Spahn beim Verteidigungsministerium zögert

Wer folgt auf Ursula von der Leyen im Verteidigungsministerium? Häufig wird Jens Spahn genannt. Ihm ist sein Ministerium zu klein, dennoch hat er andere Pläne.

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Das Ministerium war ihm im Grunde eine Nummer zu klein. Es gibt im Bundeskabinett die „großen“, „klassischen“ Häuser wie das Innen-, das Finanz-, das Arbeitsministerium oder das Auswärtige Amt – und die anderen. Das Ministerium für Gesundheit fällt unter „andere“.

Aber als Angela Merkel vor zwei Jahren mit SPD und CSU die Personalien der Groko aushandelte, blieb für Jens Spahn nur dies. Fachlich passte es zu dem langjährigen CDU-Gesundheitsexperten, und auch sonst sagt man nicht Nein zum Ministerstuhl. Obwohl Spahn das, wenn ihn dieser Tage Merkel erneut zu sich bitten sollte, wohl am liebsten machen würde. Für höhere Aufgaben in Frage zu kommen ist nämlich unter den gegebenen Umständen keineswegs nur angenehm.

Dabei wäre das Bundesministerium der Verteidigung so klassisch wie es nur geht: Riesenetat, Mitsprache im Bundessicherheitsrat, in Friedenszeiten das Kommando über die Bundeswehr und auch sonst einer der anspruchsvollsten Posten in der Regierung. Genau deshalb wird der gerade erst 39-jährige Spahn an der Börse der Polit-Spekulationen als Nachfolger für Ursula von der Leyen derzeit am höchsten gehandelt. Falls die 60-Jährige als EU-Kommissionschefin nach Brüssel wechselt, kommt als Nachfolger nur jemand in Frage, der bundespolitische Erfahrung mitbringt, sich zutraut, den Riesenapparat zu zähmen und die offenen Baustellen in Ordnung bringt.

Allseits respektiert

An Selbstvertrauen hat es dem Mann nie gefehlt. Spahn erkämpfte sich den Sitz im CDU-Präsidium auf einem Parteitag gegen Angela Merkels Favoriten Hermann Gröhe. Auf einem anderen brachte er Merkel eine böse Niederlage bei, als er sich auf offener Bühne für eine Revision der Doppelpass-Regeln stark machte.

Den ersten Regierungsposten als Parlamentarischer Staatssekretär im Finanzministerium verdankte er Wolfgang Schäuble, dem damaligen Finanzminister. Spahn fand sich damals eigentlich schon ministrabel. Aber das gönnte die Kanzlerin ihm nicht.

Voriges Jahr stürzte er sich dann ins Rennen um den CDU-Vorsitz. Spahn unterlag, weil Friedrich Merz eine in weiten Teilen ähnliche Anhängerschaft mehr elektrisierte als der Jungkonservative aus dem Münsterland. Aber seine Bewerbungsrede beim Parteitag in Hamburg fand großen Beifall und sein dritter Platz fiel ehrenvoll aus. Die Siegerin Annegret Kramp-Karrenbauer riet ihm danach, sich aufs Ministeramt zu konzentrieren. Das tat er – und wie immer mit Vollgas.

Rekordverdächtig ist allein schon, was Spahn gerade gleichzeitig in der Mache hat. Zehn Gesetzesvorhaben befinden sich irgendwo zwischen Referentenentwurf und letztem Segen im Parlament. Die Palette reicht vom Masernschutzgesetz und einer hoch umstrittenen Krankenkassen-Umstrukturierung über eine neue Hebammen- und Psychotherapeutenausbildung bis hin zur Reform von Medizinischem Dienst und Apothekengesetz. Dazu kommen ein Großmanöver für bessere digitale Versorgung, fünf weitere, angekündigte Reformpläne und drei Vorhaben, an denen sein Haus zumindest beteiligt ist.

Spahn hat in nicht einmal zwei Jahren zusätzlich das Kunststück fertiggebracht, so ziemlich allen Akteuren des Gesundheitswesens eins überzubraten und dennoch allseits respektiert zu sein. Er hat den Ärzten längere Sprechstundenzeiten verordnet. Er hat sich beim Gemeinsamen Bundesausschuss eingemischt, der über den Leistungskatalog der Kassen bestimmt und aus Spahns Sicht viel zu schwerfällig agiert. Er kratzt an der hochheiligen Selbstverwaltung des Gesundheitssystems. Er bringt mächtige Ortskrankenkassen und sämtliche Landesminister gegen sich auf, weil er regionale Versorger bundesweit öffnen und auch für große Ersatzkassen in Haftung treten lassen will.

Oft ist zu hören: So effektiv wie Spahn sei bisher kein Gesundheitsminister gewesen. Er fege endlich richtig durch. Hinter vorgehaltener Hand räumen das, wohlgemerkt, selbst schmerzhaft Betroffene und politische Gegner ein.

Dass sie ihren Minister an die Truppe verlieren könnten, betrübt denn auch viele in der Branche. Zumal wenn sie an die Aussicht denken, als nächstes wieder bloß einen braven Administrator wie Vorgänger Gröhe zu bekommen. Selbst beim Gedanken an eine Fachfrau wie Annette Widmann-Mauz rollen manche mit den Augen: zu farblos, zu konfliktscheu für den Sprengstoff, der in etlichen der unerledigten Spahn-Pläne steckt.

Durchsetzungsstark, ehrgeizig und lernfähig

Doch wenn die Regierungschefin anrufen sollte – es wäre schwer, sich zu widersetzen. Als CDU-Regierungsmitglied käme sonst noch Peter Altmaier in Frage, der aber keine Lust hat, sein Wirtschaftsministerium zu räumen. Kanzleramtschef Helge Braun zu einem Zeitpunkt auszutauschen, an dem die Koalition einem stürmischen Herbst entgegensieht, wäre ein Manöver mit beträchtlichen Risiken.

Daher richten sich so viele Blicke auf Spahn: durchsetzungsstark, ehrgeizig, lernfähig, auch mal skrupellos und mit konservativem Image, was in der Armee keinem schadet. Das Fach müsste er lernen, den weltpolitischen wie den militärischen Part. Doch das haben andere auch geschafft, die, ungedient wie er, vorher auf anderen Feldern unterwegs waren. Er wäre zudem jung genug, um nicht nur als Übergang für die Restlaufzeit der Groko anzutreten.

Und genau deshalb will er nicht. Spätestens in zwei Jahren werden die Sitzkarten am Kabinettstisch neu gemischt. Wer dann Verteidigungsminister ist, muss damit rechnen, dass ihm alle auf die Schulter klopfen und ihm gönnerhaft erklären, wie unentbehrlich er sich in der kurzen Zeit gemacht hat. Und Tschüss. Spahn hätte dann lieber einen Joker auf der Hand.

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