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Politik: Eichel: Keiner wird verschont

Regierung will 14 Milliarden einsparen / Eigenheimzulage fällt weg / Pendler erhalten Geld erst ab 20 Kilometer

Von Antje Sirleschtov

Berlin. Die Bundesregierung will im nächsten Jahr bei Bürgern und Unternehmen Leistungen im Umfang von 14 Milliarden Euro kürzen. Betroffen sind Rentner, Häuslebauer, Pendler, Bauern, aber auch Familien, Zivildienstleistende und möglicherweise Arbeitslose. Im Bundeshaushalt 2004 „gibt es keinen Bereich, der verschont wird“, sagte Finanzminister Hans Eichel (SPD) zu den Sparplänen. Damit der Etatentwurf der Regierung der Verfassung entspricht, sollen unter anderem Pendler für die ersten 20 Kilometer Fahrtweg zur Arbeit keine Entfernungspauschale mehr erhalten. Das betrifft rund 80 Prozent aller Berufstätigen in Deutschland.

Allein durch die Kürzung der Entfernungspauschale will die Regierung eine halbe Milliarde Euro einsparen. Weitere Milliarden sollen durch das komplette Streichen der Eigenheimzulage und Kürzungen bei Rentnern gespart werden. Eichel sagte, der Bundeszuschuss zur Rentenversicherung werde um zwei Milliarden Euro reduziert. Dafür müssten Rentner ab Januar statt 50 nun 53 Prozent ihrer Krankenkassenbeiträge bezahlen und ein halbes Jahr, bis Januar 2005, auf die Rentenerhöhung warten. Ob es dazu kommen wird, ist aber nicht sicher. Sozialministerin Ulla Schmidt (SPD) sagte, es handle sich nur um „Vorschläge“. Wie die zwei Milliarden gespart würden, wolle man am Wochenende bei der Haushaltsklausur klären. Das Kanzleramt bestätigte, dass es sich bei den Rentenmaßnahmen um Möglichkeiten, nicht um Beschlüsse handle. Ein Sprecher Eichels sagte, wenn das Sozialministerium andere Pläne habe, erwarte man diese mit Spannung.

Den Etatentwurf mit einer Neuverschuldung von 23,8 Milliarden Euro bezeichnete Eichel als „harte Arbeit“. Nach „drei Jahren der Stagnation in Folge“ sei man um Einschnitte bei den Staatsausgaben nicht herumgekommen. Wie „dramatisch die Ausgangslage“ sei, beweise die Entwicklung der Arbeitslosigkeit, die „im Winter einen sehr deutlichen Anstieg“ nehmen werde. Auch für 2004 rechnet die Regierung mit 4,2 Millionen Arbeitslosen. Erstmals wurde der Zuschuss für die Bundesanstalt für Arbeit gedeckelt. Wenn die Arbeitsämter 2004 mehr als 5,2 Milliarden Euro benötigten, so Eichel, müsse dies anderswo gespart werden. Zu den Subventionen und Hilfen, die die Regierung kürzen oder streichen will, zählen auch verbilligter Agrardiesel und die Zuschüsse zur Krankenversicherung der Bauern. Beamte und Pensionäre müssen auf ihr Urlaubsgeld und einen Teil des Weihnachtsgeldes verzichten. Ähnliche Einschnitte werde es für Angestellte im öffentlichen Dienst geben, kündigte Eichel an.

Als „modernere Kompensationen“ bezeichnete Eichel eine Wohnungsbauförderung für Altbau-Investitionen und die Verwendung von Einkommenskürzungen im öffentlichen Dienst für Leistungszulagen. Kanzler Gerhard Schröder (SPD) lehnt derweil weiterhin eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. Nach einem Gespräch mit den Ministerpräsidenten der Länder sagte er: „Das ist weder diskutiert worden, noch steht diese Frage an.“

Die Kosten für eine vorgezogene Steuerreform sind im Etat nicht eingerechnet. Die EU-Kommission erwarte, dass die Regierung ein Vorziehen nicht nur durch Neuverschuldung finanziert, sondern „den eingeschlagenen Weg wirksamer struktureller Reformen im Bereich der Sozialversicherungssysteme und des Arbeitsmarktes entschlossen weitergeht“, sagte der deutsche Erweiterungs-Kommissar Günter Verheugen dem Tagesspiegel.

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