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Politik: „Ein Angriff auf den Klimaschutz“

Die Grünen verlangen von der Regierung eine umweltverträgliche Energiestrategie. Doch Wirtschaftsminister Clement kämpft um die Braunkohle

Der Streit über den Stellenwert der Kohle für die Energieversorgung Deutschlands ist für die rot-grüne Koalition ein schwer zu entschärfender Sprengsatz. Das zeigt sich schon daran, dass Bundeskanzler Gerhard Schröder und Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (beide SPD) am Donnerstag ohne den grünen Umweltminister mit den Chefs der vier größten Energiekonzerne und dem Chef der Chemie-Gewerkschaft über die künftige Energiestrategie beraten wollen. Der grüne Vize-Fraktionschef Reinhard Loske sagte dem Tagesspiegel: „Ich betrachte das als einen Angriff auf den Klimaschutz.“ Trittin selbst sagte dagegen am Dienstagabend: „Sie sehen mich nicht beunruhigt.“ Das Treffen bei Schröder werde „von interessierter Seite hochgespielt“.

In den kommenden 20 Jahren werden nicht nur die deutschen Atomkraftwerke stillgelegt. Auch ein Großteil der Kohlekraftwerke erreicht das Ende seiner Lebensdauer. Von 2005 bis 2020 werden die Energiekonzerne ihre Investitionsentscheidungen treffen. Und zumindest RWE setzt offensichtlich weiter auf Braunkohle. Die RWE-Tochter Rheinbraun will in Garzweiler auch künftig rund 100 Millionen Tonnen Braunkohle für die Verstromung fördern. Und an diesem Projekt hat der frühere Düsseldorfer Ministerpräsident und heutige Wirtschaftsminister Clement ein ganz persönliches Interesse. Schließlich hat er 1998 die rot-grüne Koalition in Nordrhein-Westfalen aufs Spiel gesetzt, um Garzweiler durchzusetzen.

Der Bundeskanzler hat schon vor zwei Monaten bei der Jahrestagung des Verbands der Elektrizitätswirtschaft (VDEW) in Berlin klar gesagt, wie er die Sache sieht: „Fundament der Stromversorgung ist und bleibt die Stein- und Braunkohle.“ Dazu sagte Jürgen Trittin dem Tagesspiegel: „Wir haben uns in schwierigen Gesprächen mit Nordrhein- Westfalen darauf geeinigt, die geförderte Steinkohlemenge auf 16 Millionen Tonnen jährlich zu halbieren. Aber die Steinkohle ist unter klimapolitischen Gesichtspunkten eher uninteressant. Das große Klimaproblem ist die Braunkohle.“ Denn bei der Verbrennung von Braunkohle wird im Vergleich zu anderen nicht erneuerbaren Energieträgern, wie Öl oder Gas, der höchste Anteil des klimaschädlichen Kohlendioxids (CO2) freigesetzt. Trotzdem sagt Trittin weiter: „Da bin ich relativ gelassen, weil mit der bevorstehenden Einführung des Emissionshandels die Energie-Effizienz besonders belohnt wird. Entweder kommt es dann zu wesentlichen technischen Verbesserungen der Braunkohleverstromung, oder die Braunkohle gerät unter einen wirtschaftlichen Druck, der vor allem die älteren Anlagen träfe. Der Emissionshandel ist ja gerade ein Instrument, das Erneuerungsinvestitionen fördert. Er belohnt Erneuerung und benachteiligt das Festhalten an alten Strukturen.“

Das weiß auch die Industrie. Deshalb laufen die Energiekonzerne seit Wochen Sturm gegen den von der Bundesregierung geplanten Emissionshandel. Sie verlangen, dass Clement statt Trittin für die Verteilung der Verschmutzungsrechte zuständig sein soll. Und vor allem wollen sie verhindern, dass Deutschland im Rahmen des Klimaschutzabkommens von Kyoto auch nach 2012 weitere Verpflichtungen für die Verminderung des CO2-Ausstoßes übernimmt. Das aber stünde mehreren vom Bundestag fraktionsübergreifend gebilligten Beschlüssen entgegen, bis 2020 eine Reduktion der Treibhausgase um 40 Prozent und bis 2050 einen Reduktion der Emissionen um 80 Prozent zu erreichen. Deshalb fordert Reinhard Loske nun von der Regierung „eine integrierte Energie- und Klimaschutzstrategie. Das darf nicht nebeneinander herlaufen.“

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